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Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer

Titel: Der Kreis der Dämmerung 03 - Der weiße Wanderer
Autoren: Ralf Isau
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Stadt‹ Rom einmarschierten. Das war eine riskante Sache. Widersinnigerweise hegte Pacelli schon von jeher eine Abneigung gegen Christi Volk. Aber ich habe den Schutzsuchenden trotzdem im Vatikan versteckt – ohne Wissen des Papstes, wie du dir denken kannst. Der Mann ist ein Künstler, David, der weiß, wie mit Gold umzugehen ist.«
    Am Dienstagabend, nach Einbruch der Dunkelheit, betraten David und Lorenzo das kleine Geschäft des Gold-Schmiedes. Der einstige Mönch stellte seinen Bekannten, einen zerbrechlich wirkenden Mann mit exorbitantem Schnurrbart, als Davide vor und machte ihn mit dem weißhaarigen Engländer gleichen Namens bekannt. Der Handwerker ließ sich ob dieser Gemeinsamkeit sofort zu einem Scherz hinreißen: Zwei Davids in so einem winzigen Juweliergeschäft müssten jeden Goliath in die Flucht schlagen.
    David lächelte verhalten. Belial wäre mir lieber. Kurze Zeit später saß man in einer kleinen Werkstatt zusammen, die kaum größer als ein Zeitungskiosk war. Davide warf eine Art Bunsenbrenner an, eine dünne, innen grüne und außen bläuliche Flamme züngelte empor. Weil sein Kunde keinen großen Wert auf einen schonenden Umgang mit dem rubingeschmückten Siegelring legte, ging Davide rabiat ans Werk. Er warf das Schmuckstück in einen Tiegel und hielt diesen in die leise fauchende Flamme. Sollte es sich gegen das Feuer als anfällig erweisen, musste genauso wie im Mithräum verfahren werden. Jasons Vermächtnis verlangte die Zerstörung des Ringes »in Gegenwart des Fürsten«, was die Angelegenheit einigermaßen schwierig machte: Der Ring musste zunächst wieder abgekühlt, anschließend in einem Glaskörper von einer Flamme angestrahlt und zuletzt wieder auf die Schmelztemperatur gebracht werden – natürlich rechtzeitig vor dem Auftauchen Belials.
    David fühlte, wie seine Handflächen feucht wurden. Ihm war ganz und gar nicht wohl bei dem, was sie da taten. Es gab so viele Unbekannte in dieser Gleichung, dass er dieses wahnwitzige Vorhaben am liebsten noch in letzter Minute abgeblasen hätte. Vielleicht gefährdete er sogar ihrer aller Leben. Selbst wenn Belial seine Macht nicht mehr ausspielen konnte, ließ sich kaum abschätzen, welche Begleiterscheinungen die Zerstörung des Fürstenrings und die Befreiung des darin eingeschlossenen Guten mit sich brachte.
    Wie gebannt starrten David und Lorenzo auf das routinierte Treiben des schnurrbärtigen Goldschmieds. Schon nach wenigen Minuten sagte dieser: »Ich weiß nicht, irgendwas muss mit meinem Brenner nicht stimmen.«
    »Wieso?«, krächzte David. Seine Kehle war wie zugeschnürt.
    Davide antwortete nicht sogleich. Stattdessen versuchte er mit zwei Zangen den Ring zu verbiegen. Als ihm das nicht gelang, machte er sich an den Ventilreglern zweier Gasflaschen zu schaffen, die neben seiner Werkbank standen.
    »Was geschieht jetzt?«, fragte Lorenzo gespannt.
    »Ich erhöhe die Temperatur der Flamme durch die Veränderung des Gasgemischs. Dann sollte das Gold in jedem Fall schmelzen.«
    David wagte kaum noch zu atmen. Er sah, wie der Jude zunehmend ärgerlicher wurde, weil sich das rotgelbe Metall gegen all seine Angriffe unempfindlich zeigte. Zuletzt nahm er den Fingerreif mit einer Zange aus dem Tiegel und hielt ihn direkt in die Flamme.
    Wieder vergingen quälend lange Sekunden. Als das Eisen der Greifhilfe erst rot zu glühen und sich dann sogar zu verformen begann, gab der Goldschmied entnervt auf. Er warf das widerspenstige Schmuckstück in den Tiegel zurück und machte sich an einer kleinen Maschine zu schaffen.
    »Auf dieser Schleifscheibe befindet sich Diamantstaub«, knurrte er und legte einen Schalter um. Die flache runde Platte begann summend zu rotieren. »Nichts auf der Welt kann der mineralischen Form reinen Kohlenstoffs widerstehen. Wollen doch mal sehen, was unser kleiner Starrkopf dazu sagt.«
    Als der Ring die Schleifscheibe berührte, ging ein ohrenbetäubendes Kreischen durch die kleine Werkstatt. Schon nach kurzer Zeit stieg Rauch auf. Erst als eine gelbe Flamme die Zerstörung der Diamantbeschichtung anzeigte, gab Davide seinen Kampf auf. An dem Ring war nicht der kleinste Kratzer zu sehen.
    Der Goldschmied schüttelte ungläubig den Kopf und warf das Schmuckstück in einen kleinen wassergefüllten Topf.
    »Fällt euch etwas auf?«, fragte er mit bleichem Gesicht.
    David starrte auf das Gefäß mit dem Ring. Ohne es zu merken, fasste er sich an die Brust, dorthin, wo der Ring für gewöhnlich war. »Es hat nicht
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