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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman
Autoren: H kan Nesser
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wenn ...«
    Er verstummte und schaute an die Decke, als suchte er zwischen den dunklen Balken dort eine Antwort.
    » ... denn wenn ich dir nicht das Bild gezeigt hätte – und so weiter. Was für ein fantastischer Zufall!«
    »Es gibt keine Zufälle«, sagte der Hauptkommissar. »Das hier war nur ein Faden, der ans Ziel geführt hat. Es gibt Hunderte
andere, die denkbar wären. Wenn das Leben ein Baum ist, dann bleibt es sich gleich, ob man nun den einen Ast oder den anderen packt ... um zur Wurzel zu kommen, meine ich. Oder was man nun so will.«
    Przebuda dachte darüber eine Weile nach.
    »Ich hole noch die andere Flasche«, erklärte er dann.
     
    »Und die Frauen?«, wollte Przebuda eine Weile später wissen. »Diese schweigsamen Priesterinnen, warum zum Teufel haben die eigentlich den Mund nicht aufgemacht?«
    »Die dachten sicher, es ginge um die Richtung an sich«, meinte Van Veeteren. »Vermutlich hat Jellinek ihnen einen Maulkorb verpasst, was das Verschwinden des zweiten Mädchens betraf – bevor er selbst ermordet wurde und verschwand. Tja, und danach hieß es nur noch, dem Worte des Propheten zu folgen. Wie üblich, kann man wohl sagen. Mohammed und Christus sind beide ja auch schon ziemlich lange tot, wenn ich mich nicht irre.«
    Przebuda lachte kurz auf.
    »Und wie geht es ihnen jetzt? Ich meine, den Frauen?«
    Van Veeteren zögerte einen Moment.
    »Ich weiß nicht so recht«, sagte er. »Zwei von ihnen haben Wolgershuus gestern Nachmittag gemeinsam verlassen. Die dritte, Madeleine Zander, hat offensichtlich darum gebeten, noch bleiben zu dürfen.«
    »Bleiben zu dürfen?«
    »Ja.«
    »Na gut, das kann man zumindest als eine gewisse Einsicht in die Krankheit deuten«, brummte Przebuda und presste die letzten Tropfen aus dem abschließenden Bourgogne.
    »Und Wim?«, fragte er dann. »Wim Fingher?«
    Der Hauptkommissar zuckte wieder mit den Schultern.
    »Das ist der Job der Ärzte, denke ich. Es ist schon merkwürdig, dass er fast die ganze Zeit mehr oder weniger normal gewesen ist ... soweit wir wissen, hat er sich nur an seiner eigenen Tochter und an diesen beiden Mädchen vergriffen. Aber ob er
nun Gefängnis oder geschlossene Anstalt bekommt, das weiß ich nicht ... ich kann noch nicht einmal sagen, wofür ich wäre.«
    »Aber Mirjam Fingher bekommt Gefängnis?«
    »Zweifellos. Ihr Handeln war ja sowohl vernunftgesteuert als auch logisch.«
    »Aber vielleicht auch entschuldbar«, sagte Przebuda. »Natürlich darf man nicht einfach jeden dahergelaufenen Priester umbringen ... aber vom mütterlichen Gesichtspunkt aus ...«
    »Kann schon sein«, sagte Van Veeteren. »Man sollte sich aber auch mal fragen, wem es bei dieser ganzen Geschichte eigentlich am schlimmsten ergangen ist. Den armen Mädchen und ihren Familien natürlich, aber ich finde, wir sollten in diesem Zusammenhang auch Mathias Fingher nicht vergessen. Du kannst ja mal bei ihm vorbeischauen, wenn du in der Gegend bist.«
    »Ja, mein Gott«, sagte Andrej Przebuda und hob sein Glas. »Armer Teufel! Aber jetzt trinken wir aus!«
     
    Es war schon nach halb zwei, als er zum letzten Mal den Kleinmarckt auf dem Weg zum Grimm’s überquerte. Die Bar, die direkt neben dem Rathaus lag, war noch immer geöffnet, aber von einem übertriebenen Nachtleben war kaum etwas zu spüren. Offenbar waren die Journalisten heimgerufen worden, sobald alles vorbei war, sobald der Abpfiff erklungen war. So war es immer. Jetzt ging es darum, das psychologische Portrait des Mörders aufzublasen: Kindheit, Kränkungen während der Schulzeit, Heimtücke und das eine und andere mehr.
    Die Toten sind tot, dachte Van Veeteren. Aber die Täter leben weiter und haben Neuigkeitswert. Alles hat seine Zeit.
    Reinhart, Jung und die anderen hatten Sorbinowo bereits am Nachmittag verlassen, nur er selbst hatte sich noch einen Tag extra gegönnt.
    Als ob das der Anstand gebiete, kam ihm in den Sinn. Als ob die betroffenen Menschen diesen Ausklang begehrt hätten. Ob nun schuldig oder nicht. Opfer wie Täter.
    Diese vom Wind Getriebenen, dachte er.

    Und diese Bosheit. Diese verdammte, nicht steuerbare Finsternis, die jetzt fünfunddreißig Jahre lang sein Spielfeld gewesen war. Immer in der Nähe und bereit zuzuschlagen, sobald man ihr den Rücken kehrte oder nicht auf der Hut war. Dieser allzeit bereite Feind, der alle Freude trübte, jeden guten Willen unanständig erscheinen ließ ...
    War das mehr als eine Krankheit, diese Finsternis? Vom Resultat her betrachtet,
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