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Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Der Kommissar und das Schweigen - Roman

Titel: Der Kommissar und das Schweigen - Roman
Autoren: H kan Nesser
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wir kommen?«
    »Nein ... nein, absolut nicht. Ich glaube ...«
    »Ja?«
    » ... dass es schon so sein kann, wie Sie sagen.«
    Nicht viel mehr als ein Flüstern. Wie lange hält sie noch durch? überlegte er. Ich muss behutsam vorgehen.
    »Nehmen Sie ein Brot«, sagte er. »Wir wollen jetzt mal versuchen, Ordnung in die Sache zu kriegen.«
    Sie sah ihn an. Strich eine Strähne ihres bleichbraunen Haars aus dem Gesicht und richtete sich ein wenig auf. Nahm noch einen Schluck Tee, rührte aber sonst nichts an.
    »Ja«, sagte sie. »Es ist wohl so ... es ist mehr Zeit vergangen als zwischen den beiden anderen.«
    Van Veeteren nickte und drehte einen Zahnstocher hin und her.
    »Wie viel wussten Sie?«
    »Einiges.«
    »Sie waren es. Sie haben angerufen?«
    »Ja.«
    »Woher wussten Sie, dass er es getan hat?«
    »Ich habe es ihm angesehen. Ich bin seine Mutter.«
    »Warum haben Sie angerufen?«
    »Damit es ein Ende haben sollte.«
    »Damit die Mädchen wegkommen?«
    »Ich weiß nicht ... ja, wahrscheinlich.«
    »Sie haben sie gesucht und sie dann so hingelegt, dass wir sie finden sollten?«
    »Nur die eine.«
    »Die erste haben Sie nicht gefunden?«
    »Zuerst nicht. Aber ...«
    » ...«
    »Ich dachte ... nein, ich weiß nicht, was ich gedacht habe. Zuerst habe ich mich nicht getraut, aber dann war ich gezwungen, ja.«

    Er zögerte eine Weile. Sah, dass sie wieder zu zittern begann, ihre Hände und ihr Gesicht.
    »Seine Tochter?«, sagte er dann.
    »Ja.« Sie räusperte sich und setzte an. »Sie ... meine Schwiegertochter hat mir alles erzählt, als sie sich scheiden ließ. Das war ... ja, zuerst habe ich mich natürlich geweigert, ihr zu glauben, aber dann habe ich es verstanden. Wenn man es überhaupt verstehen kann. Ich dachte, es wäre vorbei, Sie müssen mir glauben ... Seit der Zeit, seit er wieder zu uns zurück gezogen ist, ist nichts mehr passiert. Erst als diese Sekte, diese verfluchten Mädchen ...«
    »Und letzten Sommer?«, fragte der Hauptkommissar.
    Sie schüttelte den Kopf.
    »Nein. Wim hat zu der Zeit für ein paar Monate in Groenstadt gearbeitet. Bei meinem Bruder, der hat eine Gärtnerei ... ich habe damals nur ein paar solche Zeitschriften bei ihm gefunden. . .«
    Sie verstummte.
    »Ich verstehe«, sagte Van Veeteren. »Aber lassen Sie uns zu dem wichtigsten Punkt kommen. Was glauben Sie, wo er sich jetzt aufhalten könnte? Sie müssen versuchen, uns bei der Suche zu helfen.«
    Sie schaute aus dem Fenster und schien zu überlegen.
    »Im Wald«, sagte sie dann. »Da fühlt er sich irgendwie sicher, wahrscheinlich hält er sich dort auf ... o mein Gott!«
    Und plötzlich war es, als wäre sie aufgebraucht. Sie ließ sich neben der Pritsche zu Boden fallen, auf die Knie, schlang die Arme um den Kopf und begann sich hin und her zu wiegen.
    »Helfen Sie ihm, bitte, bitte! Helfen Sie ihm!«
    Der Hauptkommissar beugte sich vor und strich ihr etwas unbeholfen über den Rücken. Dann öffnete er die Tür und rief nach Inspektorin Tolltse.
    Nein, dachte er. Ich will nicht mehr.

    »Wir haben doch nichts vergessen?«, fragte Reinhart.
    »Die Fahndung läuft«, sagte Kluuge.
    »Landesweit!«, schnaubte Suijderbeck. »Und dabei hockt er doch irgendwo hier in den Büschen. Er hat das Fahrrad genommen, habt ihr das vergessen?«
    »Fünfundzwanzig Mann sind an Ort und Stelle«, fuhr Kluuge unverdrossen fort. »Zwanzig auf dem Weg hierher. Zwei Hubschrauber sind schon in der Luft.«
    »Die Ferienlager sind gewarnt«, sagte Lauremaa.
    »Viel zu viele«, seufzte Kluuge. »Im Augenblick haben wir zwischen drei- und vierhundert Mädchen im passenden Alter in den verschiedenen Lagern.«
    »Verdammte Scheiße«, sagte Reinhart.
    »Aber sie haben strenge Order erhalten«, erklärte Lauremaa.
    »Das ist keine Garantie«, sagte Servinus.
    »Nein«, stimmte Reinhart zu. »Aber in diesem verfluchten Geschäft gibt es nie irgendwelche Garantien.«
    Inspektorin Lauremaa stand wütend auf und trat ans Fenster.
    »Nun ja«, sagte sie. »Falls er sich hier in der Stadt zeigt, auf den Straßen, dann schnappen wir ihn. Hier kennt ihn ja jeder. Wir werden ihn kriegen, das ist nur eine Frage der Zeit.«
    »Es gibt noch eine andere Frage der Zeit«, sagte Reinhart.
    »Ich weiß«, gab Lauremaa ihm Recht. »Brauchst mich nicht daran zu erinnern.«
    Die Tür ging auf, und Van Veeteren trat ein, einen Zahnstocher in jedem Mundwinkel. Er ließ sich auf Lauremaas leerem Stuhl nieder und schaute sich um.
    »Der Wald«, sagte er.
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