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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen
Autoren: Pam Jenoff
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verstanden?”
    “Ja”, antworte ich, nachdem ich tief Luft geholt habe.
    “Gut.” Sie lässt mich los, greift nach der Waffe des Kommandanten und hält sie mir hin. “Hier, nimm sie.”
    Misstrauisch betrachte ich die Waffe, die noch vor wenigen Minuten auf mein Herz gerichtet war. “Ich … ich kann nicht”, stammele ich.
    “Nimm sie”, wiederholt Marta eindringlich. “Vielleicht brauchst du sie auf der Flucht.”
    Widerstrebend nehme ich die Pistole an mich. In meiner Hand fühlt sie sich schwer und ungewohnt an. Ich stecke die Waffe unter den Rockbund. “Wo ist Jakub?”, frage ich, da mir plötzlich der Gedanke kommt, dass sie das als Einzige wissen könnte.
    “Er ist in Czernichów.”
    “Aber …” Wie benommen starre ich Marta an. Czernichów ist ein kleines Dorf auf der anderen Seite der Stadt. Die ganze Zeit über ließ man mich in dem Glauben, mein Mann sei irgendwo in den Bergen versteckt, dabei war er nur einen Fußmarsch von mir entfernt.
    “Jeder dachte, er erholt sich in den Bergen, Emma”, erklärt sie keuchend. “Wir mussten so tun, als sei das wahr. Seit Aleks Ermordung sind immer mehr interne Dinge verraten worden. Nicht einmal diejenigen, denen wir vertrauten, konnten eingeweiht werden, weil wir fürchteten, dass einer von ihnen in Gefangenschaft geraten und dort gezwungen werden könnte, sein Wissen preiszugeben.” Ich nicke verstehend. Es sind einfach zu viele Geheimnisse, die nicht in die falschen Hände geraten dürfen. “Am Rand von Czernichów gibt es eine verlassene Hütte, da ist Jakub untergebracht. Es kann sein, dass er sich im Keller darunter versteckt hält. Das Land gehört einem Bauern namens Kowalczyk, dem du vertrauen kannst. Er wird dir helfen, wenn du Hilfe brauchst. Nimm den Waldweg von Krysias Haus aus”, fährt sie fort, immer wieder unterbrochen von angestrengten Atemzügen. “Du erkennst Kowalczyks Haus an einem blauen Dach.” In der Ferne sind Sirenen zu hören. “Verschwinde jetzt von hier! Geh zu Jakub!” Sie liegt zusammengekrümmt auf dem Boden, um den Schmerz irgendwie zu ertragen.
    Ich will mich aufrichten, doch sie greift noch einmal nach meiner Hand. “Emma, eine letzte Sache noch … wegen Jakub …” Sie zögert. “Es tut mir leid.” Ich weiß, sie meint damit ihre Gefühle für meinen Ehemann, die eine Sache, die zwischen uns gestanden hat.
    “Ist schon in Ordnung”, erwidere ich und drücke ihre Finger. Es ist von mir ehrlich gemeint. Man sucht sich nicht erst aus, in wen man sich verliebt – man verliebt sich eben. Sie konnte nichts daran ändern, was sie für Jakub empfand, und ich hatte keinen Einfluss auf meine Gefühle für den Kommandanten.
    “Jetzt geh”, raunt sie, da die Sirenen lauter werden.
    “Gott möge dich behüten, Marta”, sage ich und küsse sie auf die Wange. Dann lasse ich ihre Hand los und laufe davon. An der gegenüberliegenden Seite der Brücke angekommen, drehe ich mich ein letztes Mal um. Marta sitzt regungslos neben dem toten Kommandanten, die Waffe immer noch in ihrer Hand, den Blick in die Ferne gerichtet.
    Ich eile die Stufen hinunter, doch am Fuß der Brücke angekommen, bemerke ich eine große schwarze Limousine, die dort geparkt steht. Es ist der Wagen des Kommandanten. Dann ist er gar nicht im Lastwagen unterwegs gewesen?
    Durch die Scheibe kann ich Stanislaw erkennen. Ich überlege, ob ich die Treppe wieder hinauflaufen soll, um ihm zu entkommen, aber ehe ich etwas tun kann, steigt er aus. Wir betrachten uns unschlüssig, keiner von uns spricht ein Wort. “
Dobry wieczór
”, sagt er schließlich. Er wünscht mir einen guten Abend, als wäre es ganz normal, dass wir uns hier begegnen.
    “Dobry wiecz
ór, Stanislaw”, antworte ich, während sich meine Gedanken überschlagen. Hat er die Schüsse gehört? Fragt er sich, was mit dem Kommandanten geschehen ist? Ich halte meine Hände vor mich, damit er nicht die Blutflecke auf meinem Kleid bemerkt. Wieder schweigen wir beide betreten. Die Sirenen sind noch deutlicher zu hören. Nur noch wenige Augenblicke, dann wird ihm klar sein, dass die Polizei auf dem Weg hierher ist. Ich überlege, ob ich weglaufen soll, aber dann erinnere ich mich an den Tag, an dem ich mit den Papieren des Kommandanten dessen Wohnung verließ und Stanislaw begegnete. Obwohl er mich praktisch auf frischer Tat ertappt hat, ließ er mich gehen. Vielleicht ist er der Sache der Bewegung tatsächlich zugetan. Andererseits ist er der Fahrer des Kommandanten und vermutlich
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