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Der Kommandant und das Mädchen

Der Kommandant und das Mädchen

Titel: Der Kommandant und das Mädchen
Autoren: Pam Jenoff
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Mann erwidert: “Das ist jetzt auch nicht mehr wichtig.” Panik erfasst mich. Was haben sie getan? Ich muss mich zwingen, so lange zu warten, bis sie endlich abgefahren sind. Als sie eingestiegen sind und das Motorengeräusch sich schnell entfernt, stürme ich ins Haus.
    “Krysia!”, rufe ich. Es kommt keine Antwort. “Krysia!”
    Nun sehe ich, dass im Haus hoffnungsloses Chaos herrscht. In der Küche liegen die Überreste von zahllosen zerschmetterten Gläsern und Tellern auf dem Boden verstreut. Im Salon hat man die Kissen aufgerissen, alles ist mit Federn übersät. Ich gehe zum Kamin und entdecke einen zerschlagenen Bilderrahmen. Als ich ihn aufhebe, sehe ich, dass es sich um mein Hochzeitsfoto handelt, das Krysia noch in der ersten Nacht versteckte. Offenbar haben die Männer es gefunden, sodass mein Geheimnis nicht mit dem Kommandanten gestorben ist, sondern jetzt bei der Gestapo weiterlebt. Über ein Jahr lang habe ich meine Ehe verschweigen können, und dann wird mein Geheimnis an einem einzigen Tag gleich zweimal gelüftet.
    Stechender Rauch zieht mir auf einmal in die Nase. Das ist nicht der übliche Brandgeruch, wenn die Nachbarn im Garten Laub verbrennen. Dieser Rauch ist konzentrierter und … er kommt hier aus dem Haus. Ich sehe mich nach dem Feuer um, kann aber nichts entdecken. Es muss im Stockwerk über mir brennen. “Krysia! Łukasz!”, brülle ich voller Verzweiflung und stürme nach oben, dabei nehme ich jeweils zwei Stufen auf einmal.
    “O nein!”, rufe ich. Am Kopf der Treppe liegt Krysia auf dem Boden, ihre Augen sind geschlossen. Die Arme liegen über dem Kopf, die Beine sind unnatürlich verdreht. Sie bewegt sich nicht. “Krysia!”, schreie ich, knie mich neben sie und hebe ihren Kopf ein wenig an. Ich schüttele sie behutsam, aber es kommt keine Reaktion. An der Schläfe entdecke ich eine große Schwellung, die von einem Sturz oder einem kräftigen Schlag stammen könnte. Ihre Haut fühlt sich kalt an. Vergeblich versuche ich, ihren Atem festzustellen. Verlass mich bitte nicht, Krysia, flehe ich sie stumm an. Nicht jetzt, wenn du mir sagen musst, was ich tun soll. Ich öffne ihren Mund und versuche vergeblich, sie wiederzubeleben. Dann fühle ich nach ihrem Puls, doch da ist nichts mehr. Mir wird klar, dass es zu spät ist. Sie ist tot. “Oh, Krysia”, schluchze ich, drücke sie an mich und wiege sie sanft hin und her, so wie sie es mit mir immer tat, wenn sie mich trösten wollte.
    Plötzlich höre ich hinter mir ein lautes Knistern. Das Feuer! Ich lege Krysias Kopf vorsichtig auf den Boden und stehe auf. Der Rauch scheint aus allen Richtungen zu kommen, aber wo die Flammen wüten, kann ich nach wie vor nicht sagen. Ich könnte versuchen, das Feuer zu löschen. Früher oder später jedoch werden die Nachbarn auf den Qualm aufmerksam werden, und dann wird es mir nicht mehr möglich sein, unbeobachtet meine Flucht anzutreten. Ich muss den Jungen finden und dann sofort das Haus verlassen.
    Ich laufe in Łukasz’ Zimmer, wo der Rauch so dicht ist, dass ich kaum etwas sehen kann. “Łukasz!”, rufe ich, halte mir schützend die Hand vor den Mund und gehe geduckt weiter. In seinem Kinderbett ist er nicht, er liegt auch nicht auf dem Boden. “Łukasz!” Ich laufe weiter und suche in Krysias und schließlich in meinem Schlafzimmer nach dem Jungen. Überall sind deutliche Anzeichen zu sehen, dass die Gestapo hier alles auf den Kopf gestellt hat. Jedes Zimmer wurde verwüstet, Kleidung liegt verstreut, Spiegel sind zerschlagen. Aber ich kann keine Spur von Łukasz entdecken. Sollten sie ihn etwa mitgenommen haben?
    Vielleicht ist er ja von den Männern unbemerkt nach draußen gelaufen, überlege ich und gehe zur Treppe. In diesem Moment höre ich von oben ein leises Knarren. Der Dachspeicher! Ich erinnere mich, wie Krysia mir erzählte, dass Verwandte den Jungen nach der Ermordung seiner Mutter auf ihrem Speicher versteckt hielten. Er muss sich beim Eintreffen der Gestapo nach oben geflüchtet haben.
    Ich kehre zurück in Krysias Zimmer, öffne die Schranktür und schiebe ihre Kleider zur Seite, dann steige ich die Leiter hinauf. “Łukasz”, rufe ich durch die Öffnung. Es kommt keine Antwort, und in der Dunkelheit kann ich nichts erkennen. “Łukasz, ich bin es, Anna. Es ist alles in Ordnung, du kannst zu mir kommen.”
    Leises Schlurfen ist zu hören, und eine winzige, warme Hand greift nach mir. “Na”, höre ich ihn sagen, als er versucht, meinen Namen zu sprechen. Dann
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