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Der Kofferträger (German Edition)

Der Kofferträger (German Edition)

Titel: Der Kofferträger (German Edition)
Autoren: Gunter Tschauder
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stimmte ihn misstrauisch. Zum einen war es die Höhe des Betrages. Zum anderen die Bemerkung seines Onkels, das Abgabekonto freizulassen. Was sollte das? Jürgen Schütz schüttelte ungläubig den Kopf, legte den Beleg sorgfältig an seinen Platz zurück und verschloss den Schreibtisch.
    Verdammt, warum fühlte er sich auf einmal so beobachtet? Ängstlich schaute er sich um. Wer war in dem Kanzlerbüro? Die Ruhe war die gleiche wie zuvor. Dann blickte er diesem Brutus direkt in die Augen, und ihn durchfuhr ein tödlicher Schreck. Wurde er etwa durch eine eingebaute Kamera beobachtet? Er trat an die Marmorbüste und untersuchte sie sorgfältig. Nichts dergleichen. Wirklich nur eine Büste aus gemeißeltem Stein. Das Symbol war es, das ihn in Angst versetzt hatte.
    Nun langsam, Brutus, dachte er, ich bin kein Königsmörder. Von der Tür aus schaute er sich noch einmal um, kehrte zum Schreibtisch zurück und schloss ihn erneut auf. Dann kopierte er die Liechtensteiner Rechnung und verschloss das Fach wieder. Schließlich kehrte er in sein Büro zurück. Minutenlang hockte er vor dem leeren Arbeitsplatz und dachte nach.
    Mit einem Mal schien ihm selbst das Nachdenken gefährlich. Warum sollte er sich auch lange mit diesen Dingen herumplagen? Es war nicht seine Sache. In Wirklichkeit dachte er weder nach, noch stellte er irgendwelche anderen Spekulationen an. Eigentlich wollte er nur die aufkommenden Gedanken in Nichtgedanken verwandeln. Seltsames Geschäft ging es ihm durch den Kopf. Ärgerlich klatschte er mit der flachen Hand auf den Tisch und bahnte sich bald darauf einen Weg durch die Menschenmenge in der U-Bahn.
    Was würde ihn zu Hause erwarten?

3 Geburtstagsfeier auf Nikolskoe
     
     
     
    Der miefige Geruch von nasswarmen Mänteln stand im krassen Kontrast zum eigentlichen Plan der vornehmsten U-Bahn-Strecke in Berlin. Treppen und unterirdische Bahnsteige vermittelten dem Reisenden das Gefühl einer federleichten Flughafen Aura. Geheimnisvoll und leise liefen die scheinbar von Geisterhand gesteuerten Züge ein und aus. Doppeltüren an den Bahnsteigen, eine am Kai die andere im Zug, sorgten für mehr Sicherheit, zudem konnten die Züge jederzeit mit einem Gefühl großen Vertrauens benutzt werden.
    Alle Wagen waren von Videokameras überwacht. Im Notfall traf die Polizei sofort am nächsten Bahnsteig ein. Es herrschte Ordnung in der Hauptstadt des deutschen Bundeskanzlers. Von der U 5 stieg Schütz in die S 7 und später in den Bus bis zur Haltestelle Pfaueninsel. Obwohl mitten im Wald, gab es durch das nahe gelegene ‚Nikolskoe‘, eine im russischen Landhausstil erbaute edle Holzhaus-Gaststätte, ein wenig Leben an der Haltestelle. Etwa fünfhundert Meter rechts neben der Ausflüglerkirche St. Peter und Paul auf dem Hügel führte ihn der Pfad durch seinen eigenen Park im Wannsee Wald.
    Der Weg gab ihm Gelegenheit, frische Luft in seine Lungen zu pumpen und einen klaren Kopf zu bekommen. Von der Haltestelle bis zu seinem Haus begleitete ihn ein Lichtermeer aus v ielen kleinen, kniehohen Wegelampen. Auf dem Parkplatz vor seiner Villa, die sie in historischer Anlehnung ebenso ‚Nikolskoe‘ nannten, entdeckte er eine ungewöhnliche Ansammlung hochwertiger Kapitalkarossen. Sie machten ihn zunächst stutzig. Dann fiel ihm branntheiß sein Versäumnis ein. Sein eigener Geburtstag war ihm entfallen. Schei..., dachte er, Anita wird böse sein. Aber warum hatte sie ihn nicht daran erinnert, als er sie vom Büro aus angerufen hatte? Schon vor dem Aufstehen hatte sie ihm noch im Bett zum Geburtstag gratuliert. Die große Feier sollte abends stattfinden. Das Wochenende passte gut dazu, alle Freunde waren eingeladen. Ausgerechnet er hatte die Party vergessen. Lächerlich.
    Die deutschen Eichen, hochragende Kiefern und die glatten, ausladenden Buchen, die seinen Weg flankierten, waren in ein gespenstisches Licht getaucht. Es wurde von diesen kniehohen Leuchten am Wegesrand gespendet. In dem sich ausbreitenden Nebel konnten die schwarzen Äste der links und rechts stehenden Bäume den Spaziergänger in Unbehagen versetzen. Anita hatte auf einem solchen Heimkehrbild bestanden. Es war ihre Welt, geprägt von dem langjährigen Umgang mit dem Kanzler.
    Ein etwas seltsames Geschick hatte ihn zu dieser Prachtvilla in dem Naturgebiet kommen lassen.
    „Hier will ich wohnen, nirgendwo anders“, hatte Anita eines Tages bei einer Wanderung mit dem Bundeskanzler ihre Entscheidung gefällt. Sie war durch den Berliner Forst unterwegs
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