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Der Kofferträger (German Edition)

Der Kofferträger (German Edition)

Titel: Der Kofferträger (German Edition)
Autoren: Gunter Tschauder
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Kanzlerbüro und vergrub sie dort im Schreibtisch. So ließ er auch heute als Erstes in dem Chefbüro die Jalousien vor dem acht Zentimeter dicken Panzerglas hinunter, die sich geräuschlos vor die Fenster schoben. Diese Sicherheitsmassnahme richtete sich gegen einen eventuellen Lauschangriff von außen. Das Zimmer war nun akustisch abgeriegelt. Noch nicht einmal starke Schallwellen an den Fensterscheiben waren durch Spezialgeräte aufzufangen. Jede innen erzeugte Welle schuf für sich in der Jalousie eine Störwelle. Ebenso konnten keine elektromagnetischen Wellen oder gar Lichtwellen den Raum verlassen. Mit den vorgelegten Jalousien waren das Büro und der daneben liegende Aktenraum von H.B. gegen jeden Horchangriff abgeschirmt. Niemand konnte von außen sehen, wer sich dort drinnen zu schaffen machte. Nur der Portier wusste, wer sich auch des Nachts in den Räumen aufhielt. Den Mann am Eingang aber hatte Jürgen zuvor informiert, ihm mitgeteilt, wohin er sich begab. Es lief alles offiziell.
    Das einhundert Quadratmeter große Kanzlerbüro war dazu angetan, dem Besucher Ehrfurcht einzuflößen. Ein riesiger dunkelroter Mahagonischreibtisch, hochglanzpoliert, demonstrierte selbstherrlich in einer Ecke vor Wänden aus feinster Rotbuchentäfelung wie seinerzeit Zeit der Audienzthron von Kaisern und Königen den Herrschaftsanspruch. Wir sollten ihm noch den Baldachin darüber anbringen, dachte Jürgen zynisch. Eine Büste in greifbarer Nähe auf einer ionischen Säule zeigte den Kopf des Caesarmörders Brutus. War es ein Symbol oder ein zufälliges Geschenk? Das Mitbringsel eines italienischen Staatsmannes konnte als Warnung an alle angesehen werden, die etwas Ähnliches vorhatten wie der römische Tyrannenmörder. Er würde sie mit seiner Macht zertreten.
    Auf der etwa achtzig Zentimeter hohen Säule drohte das Haupt des Brutus in greifbarer Nähe des Schreibtischstuhles. Oft genug ließ der Kanzler in Anwesenheit von Besuchern seine rechte Hand auf den neben ihm mürrisch dreinblickenden Kopf ruhen, als wollte er den Gast auf diese Mahnung hinweisen. Der Marmor war an dieser Stelle schon ein wenig angegraut. Eine Reinigung schien vonnöten. Die Büste, so hieß es, war das Original, das Michelangelo in ein schneeweißes Stück Carrara Marmor gemeißelt hatte. Während der Herrschaft des unfähigen Alessandro de’Medici hatte sich der große Künstler in Diskussionen mit dem möglichen Tyrannenmord auseinandergesetzt. Schöner als den Kopf und das gewaltige Marmorhaupt empfand Jürgen die an griechische Tempel erinnernde ionische Säule. Sie versank mit ihrer breiten Basis in dem Flausch des türkisblauen Teppichbodens mit seinen hellblauen und beigen Kleinkaros. Schlank wurde das Gestein durch den Schaft mit seinen Stegen zwischen den Kannelüren, den halbrohrähnlichen Vertiefungen. Das Kapitel, auf dem das Haupt des Kaisermörders thronte, weitete sich nach rechts und links mit den Voluten aus.
    Wie leicht sich der Schlüssel in dem Schreibtischschloss drehen ließ, dachte Schütz. Sicher waren hier keine besonderen Geheimnisse zu finden, der Alte hätte sie längst woanders unterbringen lassen.
    Den Unterschriftenordner, den er mitgebracht hatte, legte er in den Schreibtisch. In letzter Sekunde fiel sein Blick wieder auf den Namen „Intercom AG“, diesmal auf einem Papier in dem Schubfach. Ohne sich der Tat bewusst zu sein, verließ er den offiziellen Auftrag und damit die Erlaubnis seines Chefs. Mit magnetischer Hand griff er zu und hielt den Beleg zwischen den Fingern. Ein Beleg, der ihn nichts anging. Das ahnte er. So wendete er sich schnell ab. Der Beleg klebte mit Honig an seiner Hand. Als er wieder hinschaute, war dieses magnetische Etwas erneut da. Ein Briefbogen mit einem Briefkopf, den er schon seit langer Zeit kannte. Was war diesmal anders? Er hätte es nicht sagen können. Erst als er genauer hinschaute. Eine Rechnung hielt er in Händen. Eine Rechnung über DM 1.200.000,-, ein Betrag, für den er eine kleine Luxusyacht erhalten könnte. Es war einfach die Neugierde, die ihn anhielt, das Dokument zu lesen. Auf der Rechnung fand er das Kürzel von H.B., die gleichen Nummern, die gleiche Unterschrift wie bei früheren Rechnungen. Der Text lautete, wie früher auch: „Berechnen wir Ihnen für internationale Berater- und Provisionsleistungen DM 1.200 000,-. Wir bitten Sie, diesen Betrag umgehend auf eines unserer unten angegebenen Konten zu überweisen.“
    Der Zusammenhang mit der Notiz des Onkels
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