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Der Koenig von Rom

Der Koenig von Rom

Titel: Der Koenig von Rom
Autoren: Giancarlo de Cataldo
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eine Inszenierung. Der Anschlag galt dem Boss der Pignasecca, und die beiden armen Teufel sind zufällig in die Schusslinie geraten und von den beiden Bestien abgestochen worden. Ich frage mich nur, ob Sie nur dazu benutzt werden, ein Alibi zu liefern, oder ob Sie an der Planung des Verbrechens beteiligt waren. Sie können sich also zwischen Begünstigung und Beihilfe zum Mord entscheiden. Um mich klar auszudrücken: entweder zwei Jahre bedingt oder lebenslänglich.
    – Meiner Meinung nach, erwiderte Libano, wobei er wieder die Miene des Wolfs aufsetzte, reden Sie einen Haufen Scheiße.
    Der Richter war ein aalglatter Typ, ein wenig angespannt, mit Bürstenschnitt und runder Brille. Er trug tatsächlich das Antlitz des Staates, der beschlossen hatte, ernst zu machen. Dumm war er nicht, immerhin hatte er ins Schwarze getroffen. Libanese landete in Einzelhaft. Der Richter ließ sich hundertmal die Geschichte von der berüchtigten Nacht erzählen, und Libanese spielte hundertmal mit, ohne zu wanken. Ein paar Nächte lang machte sich Libanese Sorgen. Wenn ein Verräter sie verpfiff und die Wahrheit über Ciro und die beiden anderen erzählte, würde das Lügengebäude einstürzen.
    Lebenslänglich war aus der Luft gegriffen, das wusste Libanese selbst, aber man konnte nie wissen. Allerdings hätte er nie und nimmer gestanden, das entsprach nicht seiner Moral, allein der Gedanke daran war widerwärtig. Aber auch die Vorstellung, für den schlauen ’o Miracolo den Kopf hinzuhalten, war nicht gerade berauschend.
    Wenn es glattging, würde er im Ansehen steigen.
    Es ging glatt.
    Die Luft war raus. Trotz verlockender Angebote und Drohungen war niemand bereit gewesen, den genauen Tathergang zu schildern. Die Intuition des brillanten Ermittlungsrichters verpuffte im Leeren, und Libanese wurde wieder in die Zelle zurückgeschickt, man entschuldigte sich sogar bei ihm. Als er das letzte Verhörprotokoll unterschrieb, hielt ihm der Richter eine Moralpredigt.
    – Sie sind ein intelligenter junger Mann. Ruinieren Sie sich nicht das Leben. Die haben Sie doch nur benutzt, weil es ihnen gerade in den Kram gepasst hat. Sie würden keine Sekunde zögern, Sie loszuwerden.
    – Auch Sie sind ein intelligenter junger Mann, Herr Richter. Verschwenden Sie nicht Ihre Worte. Sie können sich Ihre Strafpredigt sparen.
    Allerdings musste er widerstrebend zugeben, dass die Brillenschlange nicht ganz Unrecht hatte. ’O Miracolo hatte ihn benutzt, er hatte ihm ein Alibi für den Zeitpunkt des Massakers geliefert. Es war das alte Spiel: Eine Hand wäscht die andere. Aber jetzt waren sie quitt. Libanese hatte Ciro gerettet, und Pasquale hatte ihn an seinem Hof aufgenommen. Dann hatte er ihm ein Alibi verschafft, dafür hatte er ihm ein paar Lektionen in Sachen „Mord“ erteilt. Die musste er in Zukunft beherzigen. ’O Miracolo hatte ihm klargemacht, dass Gewalt nicht notwendigerweise mit Rationalität zu tun hatte. Und manchmal musste man seinem Trieb freien Lauf lassen, einfach weil es Spaß machte. Allzu große Kontrolle war nämlich unter Umständen schädlich. Es war unmöglich, bei einem Druckkochtopf ständig die Ventile zuzumachen. Der Dampf musste entweichen, sonst gab es irgendwann eine ordentliche Explosion. Und wenn es eine ordentliche Explosion gab, flogen alle in die Luft, die Guten und die Bösen. Und genau diese Explosion musste man verhindern. Das war der Zweck der vielen geplanten und kontrollierten kleinen Explosionen.
    Der vielen kleinen Morde.
    Am nächsten Morgen besuchte ihn ’o Miracolo in der Zelle.
    – Mein Sohn, heute kommst du raus. Ich wollte dir die Nachricht überbringen.
    Libanese fragte ihn nicht, woher er das wusste. Don Pasquale wusste immer alles. Und es war Pasquale wichtig, dass alle das wussten. Einerseits freute er sich, dass Libanese entlassen wurde, andererseits, dass er nicht gesungen hatte. Das bedeutete, dass er die richtige Wahl getroffen hatte. Ohne Gegenleistung tat ’o Miracolo nämlich nie jemandem einen Gefallen, aber diesmal machte er eine Ausnahme. Auch darin war er ein Meister.
    – Hast du dreihundert Mille, Libano?
    – Wäre ich dann hier?
    – Mit dreihundert Mille könntest du in ein großes Geschäft einsteigen.
    – Wie groß?
    – Ein Schiff voll Heroin. Wir arbeiten mit den Sizilianern und den Kalabresen zusammen.
    – Tja, so viel Kohle hab ich nicht.
    – Schade.
    Genau das war der Punkt. Er hatte kein Geld. Er war ein kleiner Fisch, nicht der König von Rom. Es war zum
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