Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Koenig von Rom

Der Koenig von Rom

Titel: Der Koenig von Rom
Autoren: Giancarlo de Cataldo
Vom Netzwerk:
gab schon eine Unzahl von Toten. Der Angriff auf Ciro war nur eine weitere Episode in diesem Krieg gewesen. Einem Auftragskiller, einem Heroinsüchtigen, der schon seit einer Ewigkeit im Knast hockte, hatten sie ein Messer in die Hand gedrückt und ihm das Blaue vom Himmel versprochen, wenn er seine tödliche Mission erfüllte.
    – Aber er hat seine Belohnung nicht mehr genießen können, der Arme, seufzte ’o Miracolo theatralisch.
    – Sie haben ihn ins falsche Gefängnis verlegt, erklärte Ciro.
    Lautes Gelächter, das ’o Miracolo mit Ausspucken und einem Fluch bekräftigte:
    – Scheißen soll er gehen samt seiner Scheißfamilie!
    Libanese beschränkte sich auf ein halbherziges Grinsen. Was wusste er schon vom Moralkodex der Camorra? ’O Miracolo wurde wieder ernst.
    – Auf jeden Fall stehen wir in deiner Schuld. Wir sind Leute, die keinem was schuldig bleiben. Also wünsch dir was. Und wenn es in unserer Macht steht, werden wir deinen Wunsch erfüllen.
    Libanese dachte eine Zeit lang nach. Eine heikle Sache. Um etwas zu bitten, hieß sich unterwerfen, und Unterwerfung war nie eine gute Strategie. Um nichts zu bitten, hieß stolz zu sein, und auch Arroganz war keine gute Strategie. Aber irgendeine Entscheidung musste er treffen. Jetzt, wo er Pasquale an der Angel hatte, durfte er ihn nicht mehr loslassen.
    – Nun, mein Junge?
    Ciro drehte sich einen Joint. Die anderen blickten ihn mit ausdruckslosen Augen an. Pasquale feilte sich die gepflegten Nägel, scheinbar in Gedanken versunken.
    – Mir geht es hier gut, Don Pasquale … Es reicht mir zu wissen, dass ich mich Ihrer Freundschaft rühmen kann.
    Der Camorraboss lächelte. Libanese kannte diese Art von Lächeln, ein zweideutiges, schwer einzuordnendes Lächeln. Er kannte es, weil er selbst auch so lächelte. Es war eine Methode, um Zeit zu gewinnen. Um zu begreifen, wie ihm einmal ein alter Sizilianer erklärt hatte, ob man eine fade oder eine würzige Speise vor sich auf dem Teller hatte.
    Dann stand ’o Miracolo langsam auf und bedeutete ihm, ebenfalls aufzustehen. Als sie sich Auge in Auge
gegenüberstanden, umarmte ihn der Neapolitaner übertrieben herzlich.
    Du hast die richtige Antwort gegeben, Libanese.

III.
    Als er im Besucherzimmer seiner Mutter gegenüberstand, stieg Wut in ihm hoch. Wer hatte es ihr gesagt? Wie hatte sie es erfahren? Signora Pina durfte nicht belästigt werden, auf keinen Fall, an diese Anweisung hatten sich seine Freunde unbedingt zu halten. Der Anwalt hatte bindende Anweisungen erhalten. Die einzige Erklärung war, dass sich die Neuigkeit herumgesprochen hatte, und auch darüber hatte Libanese keine Macht, wie über vieles andere. Er und Signora Pina stammten aus zwei verschiedenen Welten. Sie hatten sich nie akzeptiert. Er hatte ihr nie klarmachen können, dass auch sie dazu beigetragen hatte, dass er so geworden war. Dass er aufgegeben hatte. Sie gingen sich aus dem Weg, sie sprachen kaum miteinander. Wenn er ihr Geld geben wollte, lehnte sie ab. Aber jetzt war sie da. Und in ihrem Blick loderte wie immer die zähe Flamme der Mutterliebe.
    Eine Liebe, die er nicht verdient hatte, dachte Libanese. Eine falsche Liebe. Sie wechselten ein paar beiläufige Sätze, er versuchte sie aufzumuntern, dann rief sie den Wärter und ließ sich hinausführen.
    Später im Hof musste er auch noch die tröstenden Worte von Pasquale ’o Miracolo über sich ergehen lassen.
    – Ja, ich weiß. Es is’ hart, wenn die Mama kommt … zumindest am Anfang … aber mit der Zeit wird’s besser, Junge, man gewöhnt sich daran … Dabei machen wir es ja auch ihnen zuliebe, nicht wahr?
    ’O Miracolo hatte ja keine Ahnung.
    Auf jeden Fall waren sie unzertrennlich geworden. Sie duzten sich. Libanese war in die Zelle neben der von Pasquale verlegt worden. Der Camorraboss hatte ihn sichtlich ins Herz geschlossen. Ihre Freundschaft würde ewig währen. Libanese war ihm so teuer wie sein Augenlicht. Er hatte Ciro gerettet. Ciro war sein Lieblingsneffe, er hatte ihn großgezogen wie einen Sohn, er wäre untröstlich gewesen, wenn er vor seinen Augen umgebracht worden wäre. Im Klartext hieß das, dass er sich schön blamiert hätte und dass der Ruf von Pasquale ’o Miracolo den Bach runtergegangen wäre.
    Wenn es nach ihm ginge, gestand ihm ’o Miracolo, hätte er ihn sofort in die Organisation aufgenommen.
    – Aber eine Taufe muss von der ganzen Organisation bewilligt werden, erklärte er mit leichtem Bedauern, das ist eine unglaublich lange
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher