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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben
Autoren: Philipp Espen
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Wunde von wulstigem Narbengewebe entstellt war.
    »Wir sind die Rächer aller verloren gegangenen Schlachten, hahaha! Und wer seid Ihr, wenn man hochlöblich fragen darf? Eurem merkwürdigen Tonfall nach müsst Ihr aus dem Norden kommen.«
    »Aus Schottland, wenn Ihr mit diesem Namen etwas anzufangen wisst. Aber im Moment komme ich aus Bordeaux, das uns schützt, und reise nach dem französischen Avignon.«
    »Das glaube ich kaum.«
    »Was meint Ihr?«
    »Eure Reise ist genau hier zu Ende. Wir beenden sie. Das meine ich.«
    Henri lachte leise. »Und wie wollt Ihr das bewerkstelligen?«
    Das freche Grinsen im entstellten, bärtigen Gesicht des Gesellen verstärkte sich. »Ihr seid allein, wir zu neunt. So bewerkstelligen wir das. Ist dieses Schwertchen da etwa Eure einzige Waffe, äh?«
    Henri dirigierte sein Pferd mit einem schnellen Schenkeldruck neben den anderen. Er nahm das Kurzschwert in die Linke, zog blitzschnell den Panzersteckdolch aus dem Gürtel und setzte ihm die Klinge an den Hals. »Aber du wirst nicht mehr dabei sein, wenn es an das Verteilen meiner Kleidung und des Pferdes geht, denn mehr besitze ich nicht.«
    Der Anführer erklärte erschreckt: »Vermeiden wir Blutvergießen! Ihr seid wohl Kaufmann und führt irgendwas mit Euch. Gebt uns ein Passiergeld, und wir reiten weiter.«
    Henri sagte entschieden: »Ich besitze nur, was ich auf dem Leib trage. Aber ein paar Centimes kann ich euch geben, als Almosen, damit ihr eure Gesichter in Ordnung bringt.«
    Der Mann leckte sich unschlüssig die Lippen. Ein listiges Funkeln trat in seine Augen. »Wie viel denn, äh?«
    »Neun kleine Münzen. Das reicht für die ganze Bande.«
    Henri sah, wie der Bandit rechnete. Zwar konnten die Wegelagerer, wenn sie alles daransetzten, auch den Rest mühelos erbeuten, aber Henri sah es dem Wortführer an, dass er feige war und an seinem erbärmlichen Leben hing.
    Der Mann wendete sein Pferd, hatte aber offenbar kein Bedürfnis, die Lage mit seinen Kumpanen zu besprechen. Er drehte sich wieder zu Henri de Roslin um und sagte schlau lächelnd: »Wir sind friedfertige Leute, wenn man uns friedfertig kommt. Aber ihr müsst verstehen, die Zeiten sind schlecht. Da klopft man schon mal um Almosen an. Neun Centimes, äh? Also her damit!«
    Henri blieb gewarnt. Er steckte den Dolch in den Gürtel, griff in seinen Mantel und zog eine Handvoll Kupfermünzen heraus, die er für solche Situationen dort verstaut hatte. Er zählte neun Kupfermünzen in die Hand und übergab sie dem anderen, peinlich darauf achtend, sich den Rücken freizuhalten. Dies war nicht einfach, denn die Pferde waren unruhig und tänzelten.
    Als der Bandit das Geld in seinen Händen fühlte, schien er sofort befriedet zu sein. Er hob zwei Finger an den rissigen Lederhelm, eine trostlose Geste ehemaligen militärischen Schneids, wendete sein Reittier jäh und preschte an der Spitze seiner Männer in einer Staubwolke davon.
    Henri sagte zu sich selbst: Die bin ich noch nicht los! Solche Kerle vergessen nicht die kleinste Niederlage.
    Er ritt weiter, so schnell das den immer wieder einsinkenden Hufen seines Pferdes auf dem jetzt tiefen, sandigen Untergrund möglich war. Die Rauchwolken, die aus einem Ort im Tal kamen, der aber unsichtbar blieb, verwehten hinter ihm. Und bald ritt er wieder über flaches, oft auch morastiges Land mit einem heideartigen Charakter, das einen Rundumblick gewährte. Dahinter wurde die Straße besser.
    Am Abend sah Henri Wölfe am Horizont und hörte in der folgenden Nacht, die er ohne Lagerfeuer verbrachte, ihr Heulen. Im Wald knackte es, und etwas schlich herum, näherte sich jedoch nicht.
    Henri war auf der Hut, hielt sein nicht abgehalftertes Pferd neben sich und schlief nicht in dieser Nacht.
    Im Morgengrauen, als er schon erleichtert aufatmen wollte, waren die Wegelagerer plötzlich wieder da.
    Diesmal stellten sie es geschickter an. Ehe Henri sich versah, standen die Banditen, bewaffnet mit Dolchen und Piken, im Kreis um ihn herum. An Flucht war nicht zu denken.
    »Aufstehen! Wir würden gern auch den Rest der Münzen haben! Das versteht Ihr doch sicher?«
    Henri überschlug seine Möglichkeiten. Er hoffte, sie waren wirklich nur an Bargeld interessiert. Aber sie sahen aus wie skrupellose Mörder.
    Die Männer kamen noch näher. Unheimliche Gestalten im Morgengrauen, die zu allem fähig sein mochten.
    Henri de Roslin war kein Krieger, den Krieg hatte er nur in Akkon erlebt, aber er wusste sehr wohl mit Hinterhalten und Banden
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