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Der König muß sterben

Der König muß sterben

Titel: Der König muß sterben
Autoren: Philipp Espen
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umzugehen. Er war darin geschult, abzuwarten, wie sich die Dinge zuspitzten. Jetzt hielt er es jedoch für ratsamer, die Flucht nach vorn anzutreten. Er ging furchtlos auf den Anführer zu und sagte ihm ins Gesicht: »Nun passt einmal auf! Mit Kerlen wie euch bin ich schon fertig geworden, die gibt es nämlich auch in Schottland wie Ungeziefer. Wenn ihr versucht, eure Waffen zu gebrauchen, werde ich euch töten!«
    Seine Worte ließen den Banditen unsicher werden. Er dachte wohl, dass sich so entschieden kein Mann verhalten konnte, der nicht einen Trick in der Hinterhand besaß.
    Henri hielt dem Anführer auf der flachen Hand einen Lederbeutel mit wenigen Münzen hin. Dieser blickte ihm noch immer misstrauisch entgegen, als wittere er hinter seiner Bereitschaft eine Arglist. Dann sagte er: »Wo steckt übrigens Euer wertvolles Schwert? Gebt es mir!«
    Henri versuchte, Zeit zu gewinnen. Er wollte schon zu einer Entgegnung ansetzen. Im gleichen Moment sah er, wie sich am Waldrand ein Schatten mit etwas Länglichem in den Händen auf sie zu bewegte. Er begriff zunächst nicht, was da vor sich ging, es geschah alles zu schnell. Eine kräftige Gestalt sprang von hinten an den Anführer heran. Er schlug ihm den Helm vom Kopf, riss seinen Hals nach hinten und setzte ihm ein Messer an die Kehle.
    »Die kleinste Bewegung, du Unmensch, und ich zeige dir, was ein Templer vermag!«
    Die Begleiter des Banditen schrien durcheinander, hoben die Waffen und rückten näher. Offenbar trauten sie sich aber nicht, einzugreifen, denn der Angreifer machte ein wild entschlossenes Gesicht.
    Henri war der Mann fremd, er begriff, dass es an ihm war, das Entscheidende zu tun. Er herrschte den Anführer der Rotte an: »Sag deinen Männern, sie sollen die Waffen hinlegen und sich zurückziehen!«
    »Mach schon!«, brüllte der Ankömmling, dessen Stimme einen fremden Akzent besaß.
    Der Bandit blieb stumm, schnaufte nur in sich hinein, als bekäme er keine Luft mehr.
    Henri wiederholte seinen Befehl. Als die Meute sich nicht rührte, befahl er: »Dann schneide ihm die Kehle durch!«
    Jetzt krächzte der Bandit: »Tut, was er sagt. Für den Moment bleibt uns keine Wahl.« Dann spuckte er Blut. Offenbar hatte der Angreifer tiefer geritzt, als es ausgesehen hatte.
    Die Männer beeilten sich jetzt, zu tun, was ihr Anführer ihnen geheißen hatte. Sie zogen sich langsam zurück.
    In diesem Moment, als habe sie bis dahin abgewartet, ging die Sonne auf.
    Einer murrte: »Und was wird aus unserem Haufenführer?«
    »Er bleibt bei uns. Wenn ihr noch einmal in unsere Nähe kommt, stirbt er.«
    Henri wunderte sich nicht über seine innere Kälte, er hatte solche Situationen schon oft erlebt. Er wusste in diesem Moment, es würde ihm nichts ausmachen, den Banditen zu töten. Er würde es nicht dem anderen zumuten, sondern es selbst tun.
    Zögernd ließen die Wegelagerer ihre Waffen fallen und stolperten rückwärts davon. Schnell hatte der Wald sie verschluckt.
    Der Fremde stellte sich vor. »Gottfried von Wettin, Ritter aus Regensburg in teutschen Landen, seit einiger Zeit in der schönen Stadt Avignon.«
    »Seit Ihr wirklich Templer?«
    Der andere nickte. »Es ist mein eigentliches Geheimnis. Nur im Kampf vergesse ich es manchmal. Aber nach außen hin lebe ich als Mönch des Dominikanerordens.«
    Henri gab sich ebenfalls zu erkennen. Sie zeigten sich ihre Ordensembleme und waren hocherfreut, einen Gleichgesinnten in der Nähe zu wissen. Henri vermied es aber, den Wettiner in seine Pläne einzuweihen – man konnte nie wissen. Aber hier, auf dem Lehensboden der englischen Krone, wo die Verfolgung der Templer nur zögernd verlief, war es möglich, freier zu sprechen. Der Bandit wurde gebunden und bäuchlings über Henris Pferd gelegt.
    Die beiden Männer hatten das Bedürfnis, den Ort schnell zu verlassen. Und als die wärmende Morgensonne durch die Zweige der Ulmen schien, die den Platz des Überfalls umstanden, ritten sie nebeneinander auf schnaubenden Pferden davon.
     
     
    Am Abend waren sie an einem Fluss namens Cergu. Er lag auf dem vierundvierzigsten Breitengrad, wie der Wettiner wusste. »Übrigens genau wie Avignon, wo ich als Mönch des Dominikanerkonvents tätig bin«, erklärte der Templer, der sich mit Astronomie auskannte und Henri unterwegs schon von seltsamen Sternbildern erzählt hatte, die kamen und gingen.
    »Wie könnt Ihr nach all den schlimmen Ereignissen noch Dominikaner sein, Gottfried? Die Mönche jagen uns unbarmherzig«, sagte
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