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Der König der Diamanten

Der König der Diamanten

Titel: Der König der Diamanten
Autoren: Simon Tolkien
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Scharlach ins Krankenhaus eingeliefert wurde und nie mehr nach Hause zurückkehrte. Das Leben war eine ernste Angelegenheit. Da war kein Platz für Frivolitäten oder Eitelkeit. Und in all den Jahren, die Katya die ältere Frau kannte, hatte sie diese nicht ein einziges Mal lachen hören.
    Jana stand in der Tür und ließ ihren Blick durch den Raum schweifen, wobei eine unverhohlene Abscheu die ohnehin schon schmalen Lippen nach innen stülpte.
    »Warum räumst du denn hier nicht auf?«, fragte sie in ihrem starken flämischen Akzent, den Katya so sehr hassen gelernt hatte.
    »Einfach, weil ich nicht will«, sagte Katya trotzig.
    »Aber das ist doch grauenhaft«, sagte Jana, während sie die Tür hinter sich zumachte. »Du hast keinen Funken Selbstachtung.«
    »Du auch nicht. Was bist du denn anderes als eine Gefängniswärterin?«
    »Das ist nur zu deinem Besten.«
    Katya schnaubte verächtlich. »Hast du Feuer?«, fragte sie nach einer kurzen Pause und zog eine Zigarette aus einem zerknautschten Päckchen. Sie fragte ungern, doch sie hatte keine andere Wahl. Nachdem sie vor einer Woche aus Versehen fast die Bettwäsche in Brand gesteckt hätte, hatte Jana ihr die Streichhölzer weggenommen. Dabei war sie so sehr aufs Rauchen angewiesen. Ihre Hände zitterten, als sie die Zigarette hochhielt.
    »Nein. Nicht jetzt. Ich muss dir etwas geben, damit du einschläfst«, sagte Jana, indem sie eine Spritze aus ihrer Tasche holte und die Hülle von der Nadel abstreifte. »Dein Onkel macht sich Sorgen um dich. Wenn du weiterhin nicht schläfst, wirst du krank. Es tut nicht weh, ich versprech’s dir. Ein kleiner Pieks, das ist alles.«
    Katya war beim Anblick der Spritze blass geworden. Ihr Widerstand war so schnell zusammengebrochen, wie die Luft aus einem platzenden Ballon entweicht. Völlig verängstigt wich sie in die hinterste Zimmerecke zurück.
    »Nein. Nicht. Bitte nicht«, bettelte sie, die zitternden Hände halb abwehrend, halb flehentlich von sich gestreckt. »Letztes Mal wurde mir schlecht davon, hast du das vergessen?«
    »Alles war in Ordnung. Du bist eingeschlafen, und dann bist du aufgewacht und hast dich ziemlich erholt gefühlt«, sagte Jana und ging langsam auf Katya zu, die Spitze der Nadel zur Decke gerichtet. Sie bemühte sich, ihre Stimme etwas ruhiger klingen zu lassen, doch das Gesagte schien Katya nur noch hysterischer zu machen. In ihrem Blick lag jetzt ein Anflug von Wahnsinn. Jana wünschte sich, sie hätte ihren Bruder Franz mitgebracht, auch wenn sie ihn hätte stören müssen. Genau wie Titus, Katyas Onkel, hatte auch er eine Menge um die Ohren. Sie hatte ihrem Bruder beweisen wollen,dass er sich auf sie verlassen konnte, und das letzte Mal war ja auch alles gutgegangen. Da hatte sie krank im Bett gelegen und keinerlei Schwierigkeiten gemacht.
    Als sie Katya erreichte, fasste Jana blitzschnell ihren Arm und zwang sie aufs Bett hinunter. Katya spürte die Kraft in Janas Hand. Sie war wie eine Schraubzwinge. Sie spürte den Stich, als die Nadel ihre Haut durchdrang, und wie in Zeitlupe sah sie, wie Janas Daumen ansetzte, die Spritze zusammenzudrücken. Doch da, genau da, durchfuhr ein Adrenalinstoß ihren Körper wie ein Stromschlag und erfüllte sie mit der felsenfesten Entschlossenheit, nicht zuzulassen, dass diese vertrocknete Jungfer sie behandelte, als sei sie ein Nichts, ein Körper, den man mit Medikamenten vollpumpen, aushungern und in einer Dachkammer einsperren konnte, gerade so, wie es einem einfiel. Sie zog ihren Arm weg, schnellte mit aller Kraft nach oben gegen Janas Oberkörper und überraschte so die Ältere, die nach hinten gegen die Schreibtischkante stürzte und dann zu Boden sank. Die halbvolle Spritze fiel aus Janas Hand und rollte unter das Bett.
    Katya stand auf und sah auf ihre Gegnerin hinunter. Jana bewegte sich nicht. Vielleicht war sie mit dem Kopf gegen die Tischkante geschlagen. Katya holte entschlossen aus und trat Jana in den unteren Rücken. Die schrie auf und rollte sich auf dem Boden zu einer Kugel zusammen.
    »Das hast du verdient«, sagte Katya mit grimmiger Zufriedenheit. »Ich bin ja nicht blöd: Ich weiß, warum du mir die Spritze geben willst. Weil irgendjemand kommt, hab ich recht? Wie beim letzten Mal. Und du willst nicht, dass derjenige mitkriegt, was ihr hier mit mir macht. Tja, zu dumm. Diesmal werde ich reden. Ich werde alles sagen, was ihr gemacht habt. Und wenn ich fertig bin, hoffe ich doch schwer, dass man euch einsperrt. Damit ihr mal wisst, wie
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