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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot
Autoren: T.H. White
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sein. Er hielt sich für wach, als er bereits schlief.
Er sah die Sterne über seinem Gesicht, die stumm und schlaflos um ihre Achsen
wirbelten; er sah die Blätter der Bäume, die vor ihm raschelten; und er hörte
unscheinbare Veränderungen im Gras. Diese kleinen Geräusche von Tritten und
sanften Flügelschlägen und unsichtbaren Bäuchen, die sich über die Halme zogen
oder gegen die Farne stießen, ängstigten ihn anfangs, machten ihn neugierig, so
daß er herauszufinden suchte, was es war (es gelang ihm nicht); dann
besänftigten sie ihn, so daß er nicht mehr wissen wollte, was es war, sondern
sich damit zufriedengab, daß es schon seine Richtigkeit hatte; und endlich
berührte ihn das alles nicht mehr: er schwamm tiefer und tiefer, schmiegte sich
in die duftende Erde, in den warmen Boden, in die endlosen Wasser tief drunten.
    Es war ihm schwergefallen, beim hellen
Sommer-Mondschein in die Regionen des Schlafes einzudringen, doch dann war es
nicht, schwierig, dort zu bleiben. Die Sonne kam früh, und er drehte sich
ablehnend auf die andere Seite; indes hatte er gelernt, bei Licht einzuschlafen,
so daß es ihn nun nicht mehr wecken konnte. Es war neun Uhr, fünf Stunden nach
Sonnenaufgang, als er endlich die Augen aufschlug und sogleich hellwach war.
Er hatte Hunger.
    Wart hatte zwar erzählen hören, daß Menschen von
Beeren lebten, aber das schien ihm im Augenblick nicht praktizierbar zu sein,
denn es war Juli, und es gab keine. Er fand zwei Walderdbeeren und aß sie
gierig. Sie schmeckten unvergleichlich köstlich, und er wünschte, es gäbe mehr
davon. Dann wünschte er, es wäre April, so daß er Vogeleier suchen und essen
könnte, oder daß er seinen Habicht Cully nicht verloren hätte, der ihm jetzt
ein Kaninchen fangen würde, das er über einem Feuer braten könnte; ein Feuer
machte man, indem man zwei Stöcke gegeneinander rieb, wie die alten Indianer.
Aber Cully hatte er verloren, sonst wäre er ja nicht hier, und die Stöcke
hätten sich wohl ohnehin nicht entzündet. Er kam zu der Überzeugung, daß er
sich höchstens drei oder vier Meilen von zu Hause entfernt haben konnte, und
das beste würde sein, sich still zu verhalten und zu horchen. Möglicherweise
hörte er dann die Leute beim Heumachen, falls der Wind günstig war, und auf
diese Weise konnte er den Heimweg zum Schloß finden.
    Was er hörte, war ein gedämpftes Klirren, so daß er
glaubte, König Pellinore müsse dem Aventiuren-Tier wieder auf den Fersen sein,
und zwar ganz in der Nähe. Nur war das Geräusch derart regelmäßig und absichtsvoll,
daß er auf den Gedanken kam, König Pellinore gebe sich einer ganz bestimmten Tätigkeit
hin, und zwar mit großer Ausdauer und Konzentration – vielleicht versuchte er,
zum Beispiel, sich am Rücken zu kratzen, ohne die Rüstung auszuziehen. Er ging
dem Geräusch nach.
    Er geriet auf eine Waldblöße, und auf dieser
Lichtung stand ein putziges steinernes Häuschen. Es war ein Cottage, das aus
zwei Teilen bestand (was Wart nicht wissen konnte). Der Hauptteil war die Halle
oder der Allzweck-Raum, der recht hoch war, weil er sich vom Boden bis zum Dach
erstreckte; und dieser Raum hatte ein Feuer auf dem Boden, dessen Rauch sich zu
guter Letzt durch ein Loch im Strohdach ins Freie schlängelte. Die andere
Hälfte des Häuschens wurde durch eine eingezogene Decke in zwei Etagen geteilt:
oben befanden sich ein Schlafzimmer und ein Studierzimmer, während die untere
Hälfte als Speisekammer, Vorratsraum, Stall und Scheune diente. Unten lebte ein
weißer Esel, und eine Leiter führte nach oben.
    Vor dem Cottage war ein Brunnen, und das
metallische Geräusch, das Wart gehört hatte, rührte von einem sehr alten Herrn,
der mit Hilfe einer Kurbel und einer Kette Wasser aus dem Brunnen holte.
    Klirr, klirr, klirr machte die Kette, bis der Eimer
den Brunnenrand erreichte. »Hol’s der Henker!« sagte der alte Mann. »Man sollt’
doch meinen, nach all den vielen Jahren des Studierens hätt’ man’s
weitergebracht als zu einem Heilige-Jungfrau-Brunnen mit einem
Heilige-Jungfrau-Eimer, ungeachtet der Heilige-Jungfrau-Kosten.
Heilige-dies-und-heilige-das«, fügte der alte Herr hinzu und hievte seinen
Eimer mit einem boshaften Blick aus dem Brunnen, »weshalb legen sie nicht
endlich elektrisches Licht her und fließend Wasser?«
    Er trug ein wallendes Gewand mit einem Pelzkragen,
das mit den verschiedenen Tierkreiszeichen bestickt war, auch mit
kabbalistischen Zeichen, Dreiecken mit Augen drin, komischen
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