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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot
Autoren: T.H. White
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die Auflage der Pellinores«, sagte der König
stolz. »Nur ein Pellinore kann es fangen – oder einer seines Geschlechts.
Erziehe alle Pellinores auf dieses Ziel hin. Ziemlich begrenzte Erziehung.
Losung und all das.«
    »Ich weiß, was das ist«, sagte der Junge
interessiert. »Es ist der Kot des Tieres, das man verfolgt. Den hebt man im
Horn auf, damit man ihn seinem Herrn zeigen kann, und außerdem kann man daran
erkennen, ob’s ein jagdbares Tier ist oder nicht, und in welchem Zustand es
sich befindet.«
    »Intelligentes Kind«, bemerkte der König. »Äußerst.
Ich schleppe praktisch die ganze Zeit Losung mit mir herum. – Ungesunde
Angewohnheit«, fügte er hinzu und blickte niedergeschlagen drein. »Und völlig
sinnlos. Nur ein Aventiuren-Tier, weißt du, da gibt’s keine Frage, ob jagdbar
oder nicht.«
    Jetzt hing das Visier so traurig nieder, daß Wart
sich entschied, seine eigenen Sorgen zu vergessen und statt dessen den Ritter
aufzuheitern, indem er ihm Fragen zu dem Thema stellte, dem er sich gewachsen
fühlte. Sich mit einem verirrten König zu unterhalten, war immer noch besser,
als allein im Wald zu sein.
    »Wie sieht das Aventiuren-Tier aus?«
    »Ah, wir nennen es das Biest Glatisant, weißt du«,
erwiderte der Monarch; er setzte eine gelehrte Miene auf und begann, sich
gewandt auszudrücken. »Also: das Biest Glatisant oder, wie wir sagen, das
Aventiuren-Tier – du kannst es so oder so nennen – «, fügte er huldvoll hinzu,
»dieses Tier hat den Kopf einer Schlange, ah, und den Leib eines Pardels, die
Keulen eines Löwen und die Läufe eines Hirschs. Wo dies Biest auch hinkommt –
immer macht’s ein Geräusch im Bauch, wie das Geräusch von dreißig Koppeln
Hunden auf der Hatz. – Außer an der Tränke, natürlich«, setzte der König hinzu.
    »Muß ja ein schreckliches Ungeheuer sein«, sagte
Wart und sah sich ängstlich um.
    »Ein schreckliches Ungeheuer«, wiederholte der König.
»Es ist das Biest Glatisant.«
    »Und wie folgt Ihr ihm?«
    Dies schien die falsche Frage zu sein, denn
Pellinore blickte noch niedergeschlagener drein.
    »Ich habe einen Schweißhund«, sagte er bekümmert.
»Da ist er, dort drüben.«
    Wart schaute in die Richtung, die ihm ein verzagter
Daumen wies, und sah eine vielfach um einen Baum geschlungene Leine. Das eine
Ende der Leine war an König Pellinores Sattel befestigt.
    »Ich kann ihn nicht genau sehn.«
    »Hat sich auf die andere Seite gewickelt, möchte
ich annehmen. Strebt ständig in die entgegengesetzte Richtung.«
    Wart ging zum Baum hinüber und fand einen großen
weißen Hund, der Flöhe hatte und sich kratzte. Sobald er Warts ansichtig wurde,
wedelte er mit dem ganzen Körper, grinste hohlmäulig und keuchte in dem
Bemühen, ihm trotz der Leine das Gesicht zu lecken. Sie war so verheddert, daß
er sich nicht bewegen konnte.
    »Ist ein ganz brauchbarer Schweißhund«, sagte König
Pellinore, »keucht nur so und wickelt sich dauernd um irgendwas rum und strebt
ständig in die entgegengesetzte Richtung. Das und dann das Visier, was, da weiß
ich manchmal nicht, wohin.«
    »Warum laßt Ihr ihn denn nicht los?« fragte Wart.
»Der würd’ dem Biest schon auf der Fährte bleiben.«
    »Dann geht er ab, verstehst du, und manchmal seh’
ich ihn eine ganze Woche nicht. – Wird ein bißchen einsam ohne ihn«, fügte der
König hinzu, »immer auf der Hohen Suche nach dem Biest, und nie weiß man, wo
man ist. Leistet einem ein bißchen Gesellschaft, weißt du.«
    »Er scheint recht umgänglich zu sein.«
    »Viel zu umgänglich. Manchmal zweifle ich, ob er
dem Biest überhaupt auf der Fährte ist.«
    »Was macht er denn, wenn er’s sieht?«
    »Nichts.«
    »Na ja«, sagte Wart. »Ich nehme an, im Lauf der
Zeit wird er schon das richtige Gespür kriegen.«
    »Es ist schon acht Monate her, seit wir das Biest
überhaupt gesehen haben.«
    Seit Beginn der Unterhaltung war die Stimme des
armen Kerls immer trauriger und trauriger geworden, und jetzt fing er
tatsächlich an zu schniefein. »Es ist der Fluch der Pellinores«, rief er aus.
»Immer und ewig hinter dem biestigen Biest her. Was soll’s, um alles in der
Welt? Zuerst mußt du halten, um den Hund abzuwickeln, dann fällt das Visier
runter, dann kannst du nicht durch die Brillengläser sehn. Nie weiß man, wo man
schlafen soll; nie weiß man, wo man ist. Rheumatismus im Winter, Sonnenstich im
Sommer. Es dauert Stunden, in diese gräßliche Rüstung zu steigen. Wenn sie an
ist, kocht sie entweder oder friert
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