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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot
Autoren: T.H. White
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Kreuzen,
Baumblättern, Vogel- und Tierknochen, und einem Planetarium, dessen Sterne
leuchteten wie kleine Spiegelstückchen, die von der Sonne beschienen werden.
Er trug einen spitzen Hut, ähnlich einer Narrenmütze oder gewissen weiblichen
Kopfbedeckungen jener Zeit, nur daß bei den Damen noch ein Schleier daran flatterte.
Darüber hinaus hatte er einen Zauberstab aus lignum vitae , der neben ihm
im Grase lag, und eine Hornbrille wie König Pellinore. Es war eine
ungewöhnliche Brille: sie hatte keine Bügel, sondern war wie eine Schere
geformt oder wie die Fühler der Tarantelwespe.
    »Verzeihung, Sir«, sagte Wart, »könntet Ihr mir
wohl bitte sagen, wie ich zu Sir Ectors Schloß komme?«
    Der betagte Herr setzte seinen Eimer ab und sah ihn
an.
    »Du bist also Wart.«
    »Ja, Sir, bitte, Sir.«
    »Und ich«, sagte der alte Mann, »bin Merlin.«
    »Guten Tag.«
    »Tag.«
    Als diese Formalitäten erledigt waren, hatte Wart
Muße, ihn genauer zu betrachten. Der Zauberer starrte ihn mit einer Art
vorurteilsloser und wohlwollender Neugier an, die Wart das Gefühl gab, daß es
durchaus nicht aufdringlich oder ungezogen war, ihn seinerseits anzustarren –
nicht aufdringlicher, als wenn er einer der Kühe seines Vormunds ins Auge
blickte, die ihren Kopf aufs Gatter gelegt hatte und sich Gedanken über seine
Persönlichkeit machte.
    Merlin hatte einen lang herabwallenden weißen Bart,
dazu einen langen weißen Schnauzbart, der auf beiden Seiten überhing. Bei
näherem Hinsehen ergab sich, daß der Alte nicht allzu sauber war. Nicht daß er schmutzige
Fingernägel gehabt hätte oder etwas dergleichen, bewahre, doch schien
irgendein großer Vogel in seinen Haaren genistet zu haben. Wart kannte die
Nester von Sperbern und Habichten, diese aus Stöcken und allem möglichen
zusammengefügten Horste, die sie von Eichhörnchen oder Krähen übernahmen, und
er wußte, wie die Zweige und der Fuß des Baumes aussahen, mit weißem Kot bespritzt
und mit Knochenresten und verschmutzten Federn und Gewölle übersät. Diesen
Eindruck machte Merlin auf ihn. Den Eindruck eines Horstbaumes. Die Sterne und
Dreiecke des Gewandes waren auf beiden Schultern mit Kot beschmiert, und eine
große Spinne ließ sich gemächlich von der Spitze des Hutes herab, während der
Alte den kleinen Jungen vor sich musterte und anblinzelte. Er hatte einen
besorgten Gesichtsausdruck, so etwa, als suche er sich eines Namens zu
erinnern, der mit Chol anfing, doch ganz anders ausgesprochen wurde, Menzies
vielleicht, oder Dalziel? Hinter der Tarantelbrille, die sich nach und nach
beschlug und matt wurde, wirkten seine sanften blauen Augen sehr groß und rund,
während er den Jungen betrachtete; und dann drehte er mit einem Ausdruck der
Resignation den Kopf zur Seite, als sei ihm dies alles schließlich doch zuviel.
, »Magst du Pfirsiche?«
    »Aber ja, sehr gern«, sagte Wart, und der Mund wässerte
ihm, bis er voll des süßen, sanften Saftes war.
    »Ihre Zeit ist noch nicht gekommen«, sagte der Alte
tadelnd und ging auf das Cottage zu.
    Wart folgte ihm, da dies das Einfachste schien,
erbot sich, den Eimer zu tragen (was Merlin offenbar erfreute), und wartete,
während der alte Mann die Schlüssel zählte – wobei er vor sich hin murmelte und
sie verwechselte und ins Gras fallen ließ. Als sie endlich im Innern des
schwarzweißen Hauses waren (ein Einbruch hätte nicht umständlicher und
mühevoller sein können), stieg Wart hinter seinem Gastgeber die Leiter hinauf
und stand im oberen Zimmer.
    Es war der wundersamste Raum, in dem er je gewesen
war.
    Von den Dachsparren hing ein richtiger Corkindrill
herab, sehr lebensgetreu und erschreckend, mit Glasaugen und ausgebreitetem
Schuppenschwanz. Als sein Herr und Meister den Raum betrat, blinzelte er zur
Begrüßung mit einem Auge, obwohl er ausgestopft war. Es gab Tausende von
Büchern in braunen Ledereinbänden; einige waren an die Bücherregale gekettet,
andere stützten sich gegenseitig, als hätten sie zuviel getrunken und trauten
nun ihrem Stehvermögen nicht recht. Sie strömten einen Geruch von Schimmel und
deftiger Bräune aus, der höchst vertrauenerweckend war. Dann gab es allerlei
ausgestopfte Vögel: Gecken und Elstern und Eisvögel und Pfauen, die nur noch
zwei Federn hatten, Vögelchen, so winzig wie Käfer, und einen vermeintlichen
Phönix, der nach Zimt und Weihrauch roch. Es konnte kein richtiger Phönix sein,
da es jeweils immer nur einen gibt. Über dem Kamin hing eine Fuchs-Maske, unter
der
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