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Der König auf Camelot

Der König auf Camelot

Titel: Der König auf Camelot
Autoren: T.H. White
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stachen.
    »Sag mal ordentlich Guten Tag«, sagte Merlin.
    »Ich will nicht«, sagte Archimedes, blickte fort
und hielt sich fest.
    »Wirklich ein hübscher Kerl«, sagte Wart. »Habt Ihr
ihn schon lange?«
    »Archimedes ist bei mir, seit er klein war, ja,
seit er ein winziges Köpfchen hatte wie ein Küken.«
    »Ich wollt’, er würd’ was zu mir sagen.«
    »Vielleicht wird er zutraulicher, wenn du ihm diese
Maus hier gibst, aber ganz zart.«
    Merlin holte eine tote Maus aus seinem Käppchen
-»Die verwahre ich immer hier, auch Würmer zum Angeln; ich finde es sehr
bequem« – und überreichte sie Wart, der sie etwas zimperlich Archimedes
hinhielt. Der gekrümmte Schnabel sah aus, als könne er Unheil anrichten, doch
Archimedes beäugte die Maus, warf Wart einen Blinzelblick zu, bewegte sich auf
dem Finger näher heran, schloß die Augen und beugte sich vor. So stand er da,
mit geschlossenen Augen und einem Ausdruck des Entzückens auf dem Gesicht, als
spreche er das Tischgebet, und dann nahm er – mit einer absurden seitlichen
Knabber-Bewegung – den Happen so sanft an, daß er nicht einmal eine Seifenblase
zum Platzen gebracht hätte. Mit geschlossenen Augen blieb er vorgebeugt
sitzen; die Maus hing ihm im Schnabel, als wisse er nicht, was er mit ihr
anfangen solle. Dann hob er den rechten Fang – er war Rechtshänder, obgleich
behauptet wird, daß das nur bei Menschen vorkomme – und packte die Maus. Er
hielt sie hoch, wie ein Junge einen Stock oder einen Stein hält oder ein
Konstabler seinen Gummiknüppel, beäugte sie, knabberte an ihrem Schwanz. Er
drehte sie herum, so daß der Kopf vorne war, denn Wart hatte sie falsch herum
offeriert, und machte einen Schluck. Er blickte die Zuschauer der Reihe nach an,
wobei ihm der Schwanz aus dem Mundwinkel hing – als wolle er sagen: Ich
wünsche, ihr würdet mich nicht so anstarren –, drehte seinen Kopf zur Seite,
schluckte höflich den Mäuseschwanz, kratzte sich den Seemannsbart mit der
linken Zehe und fing an, sich das Gefieder auszuschütteln.
    »Laß ihn in Ruhe«, sagte Merlin. »Vielleicht will
er erst Freundschaft mit dir schließen, wenn er dich genauer kennt. Bei Eulen
geht das nicht so haste-was-kann-ste.«
    »Vielleicht möcht’ er gern auf meiner Schulter
sitzen«, sagte Wart und ließ instinktiv seine Hand sinken, so daß die Eule, die
am liebsten so hoch wie möglich saß, den Hang hinauf kletterte und sich scheu
an sein Ohr stellte.
    »Jetzt Frühstück«, sagte Merlin.
    Wart sah, daß auf einem Tisch am Fenster lukullisch
gedeckt war. Da standen Pfirsiche. Da standen weiterhin: Melonen, Erdbeeren
mit Sahne, Zwieback, dampfend heiße Forelle, gegrillter Barsch (viel
ansprechender), Hühnchen (so scharf gewürzt, daß es einem den Mund
verbrannte), Nieren und Pilze auf Toast, Frikassee, Curry-Fleisch und zur Wahl
kochend heißer Kaffee oder Schokolade mit Sahne in großen Tassen.
    »Nimm ein bißchen Senf dazu«, sagte der Zauberer,
als sie bei den Nieren angelangt waren.
    Der Senfnapf erhob sich und kam auf dünnen
Silberbeinen zu Warts Teller, watschelnd wie die Eule. Dann entkräuselte er
seine Henkel, und ein Henkel hob mit übertriebener Artigkeit den Deckel,
während ihm der andere einen reichlichen Löffelvoll servierte.
    »Au, der Senftopf ist ja reizend!« sagte Wart. »Wo
habt Ihr denn den her?«
    Bei diesen
Worten strahlte der Napf über das ganze Gesicht und stolzierte ein wenig umher,
doch Merlin gab ihm mit dem Teelöffel eins auf den Kopf, so daß er sich
hinsetzte und sogleich zudeckelte.
    »Ist kein übler
Topf«, sagte er mürrisch. »Er tut nur so gern vornehm.«
    Wart war von der
Freundlichkeit des alten Herrn und besonders von den herrlichen Dingen, die er
besaß, derart angetan, daß er es nicht über sich brachte, persönliche Fragen zu
stellen. Es schien ihm passender, still zu sitzen und nur zu antworten, wenn er
gefragt wurde. Aber Merlin sprach nicht viel, und wenn er etwas sagte, geschah
das nie in Frageform, so daß Wart wenig Gelegenheit zur Konversation hatte.
Endlich jedoch nahm seine Neugier Überhand, und er fragte etwas, das ihn schon
eine Weile beschäftigte.
    »Darf ich eine
Frage stellen?«
    »Dazu bin ich
da.«
    »Woher wußtet
Ihr, daß es ein Frühstück für zwei würde?«
    Der Alte lehnte
sich in seinem Sessel zurück und mündete eine gewaltige Meerschaumpfeife an –
Allmächtiger, er spuckt Feuer, dachte Wart, der noch nie etwas von Tabak gehört
hatte –, ehe er zu einer Erwiderung bereit war.
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