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Der Knochendieb

Der Knochendieb

Titel: Der Knochendieb
Autoren: Thomas O'Callaghan
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Pfeiltaste, bis das letzte Stück kam, das zuvor gelaufen war. Erneut erklang Rampals melodiöse Flöte.
    »Das ist ›La ronde des Lutins‹ von Bazzini«, erklärte Driscoll, den Blick auf das kreidebleiche Gesicht seiner Frau geheftet.

    »Ihr Herzschlag steigt schon wieder. Jetzt ist er bei neunundneunzig!«, staunte die Schwester. »Sie reagiert auf die Musik. Aber das kann eigentlich nicht sein.«
    »Das war Nicoles liebstes Flötenstück«, bemerkte Driscoll abwesend. »Sie hat es andauernd geübt.«
    »Gütiger Gott!«, hauchte Lucinda.
    Trauer und Verzweiflung wallten in Driscoll auf, während er den kristallklaren Tönen des Stücks lauschte. Natürlich war ihm klar, dass Colette niemals aus ihrem Koma erwachen würde. Da machte er sich keine Illusionen. Nur eine ungeklärte Frage ging ihm im Kopf herum. Er wusste, dass er darauf keine Antwort erhalten würde, doch er stellte sie sich trotzdem. War es seine Frau oder seine Tochter, die hier aus dem Grab zu ihm sprach?

6. KAPITEL
    Driscoll fand Sergeant Margaret Aligante sehr attraktiv. Sie war eins siebzig groß und hatte eine Figur, die mit sämtlichen Modellen von Veronese mithalten konnte. Selbstbewusst trug sie ihren Renaissancekörper und setzte ihre physische Ausstrahlung gewinnbringend ein. Driscoll war nicht verborgen geblieben, dass sich Verdächtige, die von ihr verhört wurden, oft von ihren sinnlichen Kurven ablenken ließen. Sie war eine waschechte Brooklynerin, geboren und aufgewachsen in Red Hook, einem Italienerviertel, wo die Männer Feuerwehrleute, Polizisten und Lastwagenfahrer waren. Erstaunt hatte Driscoll zur Kenntnis genommen, dass sie als Teenager mit den Pagano Persuaders herumgezogen war, einer Stra ßengang, die zehn Häuserblocks das Fürchten lehrte.
Doch damit war es bald vorbei gewesen, als sie eine Ausbildung zur Polizistin begann. Sie hatte sich am John Jay College eingeschrieben und nach vier Jahren mit einem Durchschnitt von 3,96 von 4 möglichen Punkten ihren Abschluss gemacht. Ergänzend hatte sie Kurse in kriminalistischer Verhaltensforschung, forensischer Psychologie und Profiling belegt sowie Aikido und Taekwondo gelernt.
    Margaret schloss die Polizeischule 1991 ab. Ihre erste Aufgabe als Streifenpolizistin bestand in der Überwachung der Verkehrsadern des 72. Reviers zwischen Dritter und Fünfzehnter Straße in Brooklyn. Innerhalb von sechs Jahren hatte sie sich ihre goldene Dienstmarke verdient, war zum Sergeant befördert worden und hatte beim Drogendezernat verdeckt ermittelt. Nun arbeitete sie schon seit vier Jahren mit Lieutenant Driscoll in der Mordkommission.
    Driscoll hatte Margaret gebeten, beim Gespräch mit Gerard McCabe, dem Mann des Mordopfers, dabei zu sein. Bedrückendes Schweigen lag über Driscolls Büro. Die beiden Officers warteten ab, bis sich McCabe einigermaßen gefasst hatte, ehe Driscoll das Wort ergriff. »Leider liegt uns bis jetzt noch keine DNA-Analyse vor, aber wir haben den Führerschein Ihrer Frau gefunden.«
    »Was für ein Mann tut einer Frau so etwas an?« McCabes Hände zitterten, und er war kreidebleich.
    »Der Volvo Ihrer Frau stand vor der Ladenpassage zwischen Ralph Avenue und Avenue L. Parkte sie dort öfter?«, erkundigte sich Margaret, ohne auf seine Frage einzugehen.
    »Wahrscheinlich ist sie auf dem Rückweg vom Einkaufen zu Video-Rama gefahren. Die Filme waren schon
zwei Tage überfällig. Sie hat gesagt, sie würde sie für mich abgeben. Ich bin Apotheker und komme nie rechtzeitig aus dem Laden raus. Mein Gott, bin ich jetzt dafür verantwortlich?«
    Driscoll konnte seine Schuldgefühle verstehen. »Mr. McCabe, sie ist einfach nur nach dem Einkaufen kurz in einen Videoladen gegangen. Das tun Tausende von Hausfrauen in jeder amerikanischen Stadt Tag für Tag. Was Ihrer Frau zugestoßen ist, war nicht vorherzusehen. Etwas Hässliches und Unerwartetes ist ihr begegnet.« Voller Mitgefühl musterte er den verzweifelten Mann, während er seine eigenen Gefühle unterdrückte. »Aber ich muss Ihnen ein paar persönliche Fragen stellen.«
    »Verstehe.«
    »Gab es Probleme zwischen Ihnen und Ihrer Frau? Ich meine, war Ihre Ehe in Ordnung?«
    »Unsere Ehe lief bestens.«
    McCabe war leicht zusammengezuckt, was Driscoll nicht entgangen war. Der Mann verbarg irgendetwas. Stimmte mit der Ehe etwas nicht? Hatte seine Frau einen Liebhaber gehabt? War mit dem etwas schiefgelaufen? So schief, um in diesem Blutbad zu enden?
    »Kennen Sie irgendjemanden, der etwas gegen Ihre Frau hatte?«,
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