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Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Titel: Der Kleine Mann und die Kleine Miss
Autoren: Erich Kästner
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nach meiner Geburt gehört
habe! Davon könnten einem ja glatt die Trommelfelle platzen!«

    Die
anderen blickten ihn entgeistert an. Mäxchen fuchtelte mit den Armen und rief
wütend: »Ich lüge nicht!«
    »Natürlich
nich«, meinte Otto. »Lügen is für so was gar kein Ausdruck. Das is ’n
Weltrekord, Jungchen. So viel Phantasie in so
    ’nem
kleenen Kopp, wie machst du das bloß?«
    »Ich
lüge nicht«, brüllte Mäxchen wie am Spieß. »Das ist eine bodenlose Gemeinheit!«
    Professor
Jokus von Pokus zupfte nervös an seinem eleganten Schnurrbart. »Ich bin ein
verträglicher Mensch«, sagte er. »Aber jetzt beginnt es mir in den Fingern zu
kribbeln.« Er stand langsam auf.
    »Bravo«,
rief der Schüler Hurtig. »Zerlegen Sie ihn in seine Bestandteile!« Er hatte
knallrote Backen.
    Da
schlug der Kriminalkommissar mit der Faust so energisch auf den Schreibtisch,
dass Mäxchen einen unfreiwilligen Luftsprung machte. »Ich bitte mir Ruhe aus«,
knurrte Herr Steinbeiß.
    Dann
stellte er die Flasche ins Seitenfach zurück und drückte auf den Klingelknopf.
»Für heute die letzte Frage«, sagte er finster zum Kahlen Otto. »Wenn es den
Señor Lopez nicht geben sollte –
    warum
haben Sie versoffener Kehlkopf, nein, Kohlkopf, ach was, Kahlkopf, dann den
Jungen überhaupt gestohlen?«
    Otto
machte runde Augen. »Sie wissen nich, was Sie wollen.
    Erst
erzählen Sie mir lang und breit, dass ich’s gar nich gewesen bin, sondern der
Bernhard. Und nu soll ich plötzlich wissen, warum ich’s getan hätte. Ich war
doch bloß Beihilfe, und das is ’n kolossal dehnbarer Begriff. Fragense doch
Bernhard!«
    Ein
Wachtmeister kam ins Zimmer. »Abführen!«, bellte der Kommissar.
    Kaum
war Otto draußen, wankte Steinbeiß zu dem Sofa in der Ecke, setzte sich, zog die
Stiefel aus und sagte: »Es ist zwar erst Nachmittag, aber ich habe
vierundzwanzig Stunden nicht geschlafen. Gute Nacht.« Dann kippte er um. Die
Sprungfedern quiekten wie zwanzig Ferkel vor der Fütterung. Aber er hörte es
nicht mehr.
     
    Am
gleichen Nachmittag geschah, was unsere Geschichte betrifft, noch zweierlei. In
Berlin traf Mister Drinkwater ein. Und in Orly, auf dem Flugplatz in Paris,
wurde das ›Unternehmen Dornröschen‹ gestartet. Diese merkwürdige Bezeichnung
erhielt das Unternehmen allerdings erst, als es zu spät war. Hinterher sind die
Leute ja immer klüger.
    Hinterher
also stellte man fest, dass in Orly 16 Uhr 25 eine Chartermaschine mit
achtunddreißig Passagieren nach Berlin abgeflogen war. Nun, solche
Touristenflüge sind nichts Ungewöhnliches. Auch dass die Reisegesellschaft nur
aus Männern bestand, war nicht weiter auffällig. Vielleicht handelte es sich um
einen Kegelklub.
    Der
Flug nach Berlin verlief glatt. Die Maschine wurde in einem Hangar abgestellt.
Sie war für drei Tage gemietet und der Rückflug war vorausbezahlt worden. Der
Reiseleiter, ein Monsieur Boileau, ließ sich vom Piloten das Hotel nennen, wo
man ihn telefonisch erreichen könne. Denn vielleicht, sagte Monsieur Boileau,
flöge er mit seiner Gesellschaft schon früher nach Paris zurück. Damit
verabschiedete er sich und suchte seine Leute, die schon in der Halle neben dem
Rollband auf ihre Koffer warteten.
    Was
sie in Berlin vorhatten, blieb vorläufig ein Geheimnis. Für Mitglieder eines
Kegelklubs oder eines mehrstimmigen Männergesangvereins hättet ihr sie, wie sie
ihre schweren Koffer schulterten, sicher nicht gehalten. Aber ihr wart leider
nicht am Flugplatz. Na ja, man kann nicht überall sein.
     
    Am
gleichen Nachmittag traf, wie ich schon sagte, auch Mister Drinkwater ein. John
Foster Drinkwater, einer der großen amerikanischen Filmproduzenten. Er war
überhaupt ein großer Mann: 1 Meter 90 in Socken. Das schafft nicht jeder.

    Ursprünglich
hatte er nur den Europachef der Firma schicken wollen. Ihm verdankte er den
ersten Hinweis auf die Sensationen, die sich rund um den kleinen Mann
abgespielt hatten. Doch dann hatte sich Mister Drinkwater höchstselbst in
Bewegung gesetzt.

    Hollywood-New
York-London-Berlin, die Zeit war ihm wie im Fluge vergangen. Er musste Mäxchens
Geschichte verfilmen, koste es, was es wolle. Hoffentlich hatte die Konkurrenz
noch nicht gewittert, was für ein Riesengeschäft hier mitten auf der Straße
lag. Jetzt oder nie!
    Als
er am Hilton-Hotel in der Budapester Straße vorfuhr und in seiner ganzen Größe
aus dem Taxi kletterte, standen bereits die Hoteldirektoren im Portal und
verbeugten sich vor ihm.
    »Was
suchen Sie?«,
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