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Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Der Kleine Mann und die Kleine Miss

Titel: Der Kleine Mann und die Kleine Miss
Autoren: Erich Kästner
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fragte er, weil sie sich so tief bückten. Ehe sie über seinen
Witz höflich lächeln konnten, war er schon am Lift. Und ehe sie am Lift waren,
saß er schon im Hotelzimmer und telefonierte. Damit beginnt...

DAS
ZWEITE KAPITEL
Direktor
Brausewetter wechselt die Handschuhfarbe / Rosa Marzipan leiht Mister
Drinkwater ein Opernglas / Filmgespräche im Blauen Salon / Manche dürfen
nachts nicht schlafen, manche können es nicht, und manche wollen es nicht.
     
    Mister
Drinkwater war ein unermüdlicher Mann. »Ich schlafe nur zweimal im Jahr«,
pflegte er zu sagen, »einmal im Juli und das zweite Mal im Dezember, dann aber
den ganzen Monat hindurch, Tag für Tag vierundzwanzig Stunden lang, da kenne
ich kein Erbarmen.«
    Wenn
die Reporter staunten und fragten, ob er denn nicht wenigstens gelegentlich
aufstehe, um eine Kleinigkeit zu essen, antwortete er: »Nein. Von halben Sachen
halte ich nichts. Ich verbringe die Schlafmonate auf meiner Jacht ›Sleepwell‹
und habe, außer dem Kapitän und der Besatzung, zwei zuverlässige Angestellte an
Bord. Der eine muss für mich essen und der zweite muss sich statt meiner
waschen.« Ob er log oder nicht, war ihm nicht anzumerken. Denn er verzog dabei
keine Miene.
     
    Wie
dem auch sei: Hier in Berlin machte John Foster Drinkwater, der große und lange
Filmboss aus den USA, keinen schläfrigen Eindruck. Er telefonierte mit Jokus von
Pokus. Er telefonierte mit Zirkusdirektor Brausewetter. Er telefonierte mit
Kriminalkommissar Steinbeiß, dem das, weil er noch auf dem Sofa lag, gar nicht
recht war. Er telefonierte mit dem amerikanischen Generalkonsul. Er
telefonierte mit der Deutschen Bank. Und er telefonierte mit der Frankfurter
Filiale seiner Filmgesellschaft. Dann wusch er sich. Diesmal eigenhändig, denn
es war ja weder Juli noch Dezember. Später aß er in der ›Golden City-Bar‹ des
Hotels, auch das persönlich, ein mit Käse überbackenes Ragoût fin.
    Und
zu Beginn der Zirkusvorstellung saß er in der für ihn reservierten Loge.
    Direktor
Brausewetter begrüßte ihn überschwänglich, trug blütenweiße Glacéhandschuhe und
erkundigte sich, ob er dem restlos ausverkauften Hause den interessanten Gast
vorstellen dürfe.
    »Warum
fragen Sie ausgerechnet mich?«, meinte Drinkwater.
    »Fragen
Sie ihn doch selber!«
    Direktor
Brausewetter schlug die weißen Handschuhe über dem Kopfe zusammen. »Welch ein
Missverständnis!«, rief er bekümmert. »Der interessante Gast sind doch Sie.«
    »Unterstehen
Sie sich«, sagte Drinkwater ärgerlich. »Ich bin als Geschäftsmann hier.
Verfrühte Reklame verteuert den Einkauf.
    Wollen
Sie mir einen Gefallen tun?«
    »Selbstverständlich.«
    »Dann
halten Sie sich, bis unser Vertrag perfekt ist, mit Ihren hübschen weißen
Handschuhen den Mund zu.«
    »Ich
hoffe, Sie meinen das nur bildlich«, bemerkte Direktor Brausewetter spitz. »Und
jetzt gehe ich.«
    Mister
Drinkwater blätterte im Programmheft und sagte nebenbei: »Ich dachte, Sie seien
schon weg.«
    In
der Garderobe des Professors erzählte der Zirkusdirektor tief gekränkt, was er
eben erlebt hatte. »So ein ungeschliffener Patron!«, schimpfte er. »Den Mund
soll ich mir zuhalten!«
    »Sehr
höflich war das nicht«, meinte der Jokus. »Aber im Grunde hat er natürlich
Recht. Er will nicht, dass die Konkurrenz aufmerksam wird und uns mehr Geld
bietet als er.«
    »Was
geht denn das uns an?« Der Direktor zwirbelte seine Schnurrbartspitzen hoch.
»Wir sollten mit dem abschließen, der am meisten zahlt.«
    Der
Jokus schüttelte lächelnd den Kopf. »Wir werden mit dem besten Mann
abschließen. Das ist Mister Drinkwater. Darf ich Ihr Gedächtnis auffrischen,
lieber Brausewetter! Vor einiger Zeit, es ist noch gar nicht so lange her,
hatte die Nummer ›Der große Dieb und der kleine Mann‹ in der Zirkuswelt einen
sensationellen Erfolg. Die Gagen, die man den zwei Artisten von anderer Seite
bot, waren immens. Und? Rannten sie hinter dem Geld her?«
    Direktor
Brausewetter blickte gequält auf die Spitzen seiner Lackschuhe. »Nein. Aber der
neue Vertrag, den Sie mit mir abschlössen, war auch nicht von Pappe.«

    »Das
hätte gerade noch gefehlt«, sagte der Jokus. »Meine Devise heißt: der
bestmögliche Vertrag mit dem bestmöglichen Mann. Das galt für Sie, und das gilt
für Mister Drinkwater. Sind wir uns einig?«
    »Zu
Befehl, Herr Professor!« Brausewetter schlug die Hacken zusammen, machte kehrt
und marschierte zur Tür. Dort stieß er mit Rosa Marzipan zusammen.
    Sie
trug Trikot
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