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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay
Autoren: Chandrahas Choudhury
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dem Fuß und sprang völlig überraschend zu Arzee hoch.
    Arzee erschrak und wäre fast hintenüber in den Abwasserkanal gefallen, doch durch verzweifeltes Armrudern gelang es ihm, das Gleichgewicht wiederzufinden. Dann schnellte sein Körper von der Mauer, als hätte ihm jemand von hinten einen kräftigen Stoß versetzt, er setzte über Deepak und landete hinter ihm auf allen vieren im Matsch. Er rappelte sich hoch und wollte gerade davonstürzen, da wurde er am Hemdzipfel nach hinten gerissen. Deepaks andere Hand wand sich unter sein Hemd und packte ihn fest am Gürtel, so dass sich die Fingerknöchel schmerzhaft in Arzees Rücken bohrten. Knurrend und schimpfend schlug Deepak Arzee mehrmals mit der flachen Hand auf den Kopf.
    »Lass mich los! Lass mich los, Deepakbhai! Ich werde bezahlen, das verspreche ich dir!«
    »Wann? Wann, du Halunke?«
    »Bald! Sobald ich mein nächstes Gehalt kriege!«
    »Das sagst du schon seit Monaten!«
    »Aber diesmal stimmt es!«
    »Du hast also all die Monate dein Spiel mit mir getrieben, du Klugscheißer?«
    »Nein, nein – was ich gemeint habe – ich habe gemeint, dass –«
    »Also gut, hör auf zu zappeln. Hör auf. Au! Nicht treten. Hör
auf

    »Lass mich los, Deepakbhai, mein Arm tut weh.«
    »Okay, aber hör du auch auf. So, ich hab dich losgelassen. Dreh dich um und schau mich an, von Mann zu Mann.«
    Arzee drehte sich um und schaute zu Deepak hoch. Er atmete schwer, genau wie Deepak, der sich das Kinn rieb, dabeidas Gesicht verzog und die Zähne zusammenbiss, so dass sein Mund ausnahmsweise einmal zu war.
    »Du bist vielleicht brutal!«
    »Du hast angefangen, Deepakbhai. Ich dachte, wir unterhalten uns bloß, aber dann –«
    »
Ich
habe angefangen? Ich war nett zu dir. Denk mal darüber nach. Wenn du an meiner Stelle gewesen wärst, hättest du mir viel mehr Ärger gemacht als ich dir. Jetzt wird mir eine Woche lang mein Bein wehtun. Du gehst mir echt auf die Nerven, kleiner Mann!«
    »Tut mir leid, Deepakbhai.« Arzee zog ein rotes Taschentuch hervor und wischte sich den Dreck von den Handflächen. »Es ist einfach so … Das Leben ist so schwer, und es ist nicht leicht, so viel Geld aufzutreiben, wenn man ohnehin schon knapp bei Kasse ist. Du weißt so gut wie ich, dass wir Filmvorführer nicht viel verdienen. Aber diesen Monat werde ich befördert und bekomme eine kleine Gehaltserhöhung, und dann wird es einfacher. Ich weiß, dass ich einen Fehler gemacht habe. Ich hätte kein Geld verspielen sollen, das ich gar nicht hatte. Aber ich habe den Fehler nun mal gemacht, und ich leide deswegen. Versuch mich zu verstehen, Deepakbhai. Es ist nicht leicht für mich.«
    »Ha! Du glaubst, du wärst schlecht dran? Meinst du denn, es wäre ein Zuckerschlecken, von Zehntausend im Monat eine Familie zu ernähren?«
    »Eine Familie? Du hast eine Familie, Deepakbhai? Du siehst so jung aus. Ich wäre nie darauf gekommen, dass du verheiratet bist.«
    »Schmier mir keinen Honig ums Maul – da falle ich nicht drauf rein«, sagte Deepak. »Aber ja, ich habe eine Frau und zwei Kinder.«
    »Das hätte ich nie gedacht! Wie alt bist du denn, Deepak?«
    »Neunundzwanzig.«
    »Und schon verheiratet und zwei Kinder!«
    »Es ist besser, früh zu heiraten, glaub mir. Je später man heiratet, desto schwieriger ist es, sich anzupassen. Dann hat man sich zu sehr an seine Freiheit gewöhnt.«
    »Aber dazu muss man erst mal jemanden finden, Deepakbhai, oder nicht? Man kann sich ja schlecht selbst heiraten.«
    »Dann musst du eben gründlicher suchen – ich kenne Leute, die deutlich schlechter dran sind als du und die ohne größere Probleme jemanden gefunden haben. Und ich sag dir das nicht, um dich aufzumuntern. Ich meine das ganz ernst.«
    »Meine Mutter sucht für mich, Deepakbhai. Aber es ist nicht so leicht, wie du denkst, denn … die Leute denken alles Mögliche über Menschen wie mich. Ich bin kein richtiger Mann für sie.«
    »Schon wieder das – es ist nicht so leicht, wie du denkst, es ist nicht so leicht, wie du denkst! Es ist wirklich erstaunlich, dass du meinst, bloß weil du so ein Kümmerling bist, der anderen Männern gerade mal bis zur Gürtelschnalle reicht, wärst du der Einzige, der Sorgen hat. Mach deine Augen mal ein bisschen weiter auf, dann siehst du, wie es wirklich ist. Wir alle mühen uns ab und leiden in diesem Leben.«
    »So haben wir uns in all den Monaten noch nie unterhalten, Deepakbhai. Wollen wir vielleicht einen Tee trinken gehen?«
    »Einen Tee trinken – so
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