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Der kleine Koenig von Bombay

Der kleine Koenig von Bombay

Titel: Der kleine Koenig von Bombay
Autoren: Chandrahas Choudhury
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ihm auf. Verwirrt schaute Arzee sich um. Vielleicht spielte ihm sein Gehirn einen Streich, das kam ab und zu vor. Wenn er spät in der Nacht allein nach Hause lief, hörte er manchmal Glocken oder Hufgeklapper oder auch den fürchterlichen Schrei seines Vaters, als das Leben aus seinem Körper gewalzt wurde und alles zu Ende ging.
    Aber da rief wirklich jemand seinen Namen. Und Arzee kannte diese Stimme – der Person, der die Stimme gehörte, versuchte er schon die ganze Zeit aus dem Weg zu gehen! Er wandte sich langsam um, fürchtete sich vor dem erwarteten Anblick. Eine vertraute hagere Gestalt näherte sich ihm durch die kleine Passage, scharf wie ein Jagdhund und genauso beängstigend anzuschauen. Arzee zitterte. Was war er doch für ein Trottel! Natürlich musste er genau dann, wenn auf ihn Jagd gemacht wurde, an diesem Ort sein, wo er von drei Seiten eingeschlossen war und auch noch in den Himmel emporragte! Er trippelte hektisch hin und her wie ein Vogel, doch seine ganze Aufregung nützte ihm nichts.
    Die Gestalt trat näher, schaute zu Arzee hinauf und sagte mit heiserer Stimme:
    »Hab ich dich endlich, du kleiner Dreckskerl! Glaub nicht, du könntest dich lange vor Deepak verstecken. Selbst wenn du dich versteckst, ist es in Wirklichkeit Deepak, der dir erlaubt, dich zu verstecken, denn er wartet nur darauf, dass du endlich in die Gänge kommst. Schleich du nur weiter so herum und versteck dich – Deepak wird dich schon aufspüren, um sein Geld einzutreiben, und entweder bezahlst du dann oder du bezahlst
wirklich
. Na los, mein Vögelchen. Komm runter von da oben und sag es mir: Wo ist mein Geld?«

Drittes Kapitel
Von Deepak erwischt
    E ines Morgens erwacht ein Mann – ein Freund von Arzee –, zieht sich an, frühstückt und geht zur Arbeit wie immer.
    Er geht zur Arbeit, aber es ist der Tag eines großen Cricketmatches, Indien gegen Australien, und keiner schert sich um die Arbeit – alle sind nur am Spielstand interessiert. Während einer Erfrischungspause geht der Mann hinaus, um eine zu rauchen, und sieht, dass viele andere in ein Gebäude am Ende der Straße hinein- und wieder hinausströmen. Er weiß, was sie dort hinzieht, und er würde sich das Ganze auch gern mal ansehen, doch bisher hat er es sich stets verkniffen. Aber warum verkneift er es sich eigentlich? Was hat er davon? Eine Welle der Neugier überflutet plötzlich das Ufer seiner sonstigen Vorsicht. Und so geht er heute den anderen hinterher.
    Drinnen, in einem Raum, wo im Fernsehen Cricket läuft und es ansonsten still ist, wo fünf Männer hinter Tischen stehen, Einträge in Hauptbücher machen und sich die Finger befeuchten, während sie Banknoten zählen, schaut sich der Mann nervös um. Niemand kommt hierher, um sich bloß umzusehen – man kommt, um zu spielen, und solange man nicht spielt, ist man hier ein Niemand. Also sagt der Mann auf der Basis seines lebenslangen Nachdenkens über Schlägerund Bälle, Swings und Spins, Pitches und Feldaufstellungen den wahrscheinlichen Verlauf des Spiels voraus und wettet auf eine Kombination von A und B und C.
    Mit einem kleinen Beleg in der Tasche, der bestätigt, dass er heute – zum ersten Mal in seinem Leben – gespielt hat, kehrt er wieder zurück in die solide, die wettfreie Welt.
    Er kehrt zurück, und im Zimmer seines Chefs haben sich alle um den rauschenden Fernseher versammelt, um die Spieler anzufeuern oder zu verfluchen, doch er bleibt ganz ruhig, schaut einfach zu und wartet ab, und als wenig später B C nach sich zieht und dann A dicht auf den Fersen folgt, ein Geschenk des Himmels, auf dem sein Name steht, springt er mit einem Freudenschrei auf und saust los, um seinen Gewinn einzustreichen. Sieg! Er hat einen Volltreffer gelandet, sein Geld auf einen Schlag vervierfacht, und er fühlt sich im Besitz einer Scharfsichtigkeit, einer Schneidigkeit, die er schon lang nicht mehr verspürt hat. Geld – sein Anblick, sein Geruch!
    Und plötzlich scheint sich in dem engen Korridor seines Daseins ein Fenster geöffnet zu haben. Ratespiele, mit der Wahrscheinlichkeit und dem Glück zu spielen, etwas zu prophezeien, das noch nicht geschehen ist, in einem Leben, das sich vor Langeweile räkelt und reckt, eine Herausforderung zu schaffen, das alles erhitzt das Blut in seinen Adern. Das Gefühl breitet sich immer mehr in ihm aus, ergreift Besitz von ihm, und ein paar Tage später steht er mit einem Umschlag im Hemd wieder in dem Raum, und diesmal blättert er fünf Riesen auf den
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