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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt
Autoren: Rita Maria Fust
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der Kaufleute. Also von uns«, freut sich Hinrich Jost Matthiesen.
    Einen Schutzpatron hätte ich heute Vormittag gut gebrauchen können, denkt Overkamp und sagt: »Hier soll auch schon vor der Stadtgründung ein Marktort gewesen sein.«
    »Aber jetzt nicht mehr?«, hakt Matthiesen nach.
    »Nein, wir haben natürlich einen Wochenmarkt und auch acht Jahrmärkte. In knapp zwei Wochen, am Donnerstag nach Pfingsten, ist der nächste«, berichtet der Lippstädter Kaufmann. »Die finden aber heutzutage vor dem Rathaus auf dem Marktplatz statt.«
    »Acht Jahrmärkte für so eine kleine Stadt? Das ist wahrlich viel«, wundert sich Hinrich Jost Matthiesen.
    »Ja. Kommen Sie, wir gehen einen Schritt schneller«, fordert Overkamp seinen Geschäftsfreund ungeduldig auf. »Sie haben bestimmt auch Durst!«, erklärt er.
    »Und wie«, stimmt ihm Hinrich Jost Matthiesen zu. »In diesen engen Gassen hier staut sich die Hitze. Wie haben Sie sich den Verlauf des Tages weiter vorgestellt?«, erkundigt er sich.
    »Ich dachte, wir machen unseren Stadtrundgang zu Ende und lassen dann den Tag im ›Goldenen Hahn‹ ausklingen. Agnes, unsere Magd, hat schon für Sie die Kammer gerichtet, doch vorher möchte ich noch etwas mit Ihnen besprechen«, kündigt Ferdinand Overkamp an.
    »Ist mir recht, mein Freund«, meint Hinrich Jost Matthiesen.
    »Wenn wir hier die Kurze Straße entlanggehen, kommen wir zur Alten Soeststraße. 15 Da ist das Feickardsche Haus. Wir sagen, das ›Brüllesche Laboratorium‹.«
    Overkamp weist mit der Hand den Weg.
    »Laboratorium?«, fragt der Lübecker nach.
    »Ja. In Lippstadt gibt es viele Munitionsmagazine. Das Große Pulvermagazin am Hasenfang 16 zum Beispiel. Das ist ganz in der Nähe des Süder Tores«, erklärt der Lipp­städter Kaufmann und muss an den toten Burschen denken, der inmitten des Pulvers liegt. Oder lag? Was hat die Explosion angerichtet? Es scheint nicht gebrannt zu haben. Schade, denkt Overkamp und ruft sich selbst zur Räson. So darf man nicht denken! Doch nur ein Brand, ein kleiner Brand an der richtigen Stelle würde dafür sorgen, dass die Leiche für immer verschwindet.
    »Diese Pulvervorräte sind aber recht gefährlich. Der Krieg ist doch vorbei«, wendet Matthiesen ein.
    »Ja, zum Glück«, pflichtet ihm Overkamp bei. »Hier im Brülleschen Laboratorium wurden Granaten hergestellt und mit Pulver gefüllt. 17 Leichtfertig, alles in den Magazinen liegen zu lassen. Aber wohin sollte man es schaffen?«, fragt Overkamp, ohne eine Antwort zu erwarten.
    Matthiesen zuckt mit den Schultern. »Es wird zunehmend schwüler. Es ist kaum noch zum Aushalten«, klagt er.
    »Wir sind schon auf dem Rückweg zum ›Goldenen Hahn‹«, tröstet Ferdinand Overkamp den erschöpften Gast. »Dieses ist die Cappel Straße, unsere zweite Hauptstraße. Dort links an der Ecke zur Soeststraße ist das Haus der Familie Zurhelle. Seit dem vorigen Jahrhundert ist das eine der einflussreichsten Familien unserer Stadt. Wenn wir jetzt hier von der Soeststraße rechts durch diese Gasse gehen, kommen wir zur Kleinen Marienkirche und zum Damenstift«, sagt der Lippstädter. Auch er wünscht sich, schon im ›Goldenen Hahn‹ zu sitzen und einen ordentlichen Schluck zu trinken. Irgendjemand würde schon in der Schänke von der Explosion erzählen, und dann wüsste er Bescheid. Diese Ungewissheit kann Overkamp gar nicht gut aushalten. Und dann muss er auch noch das heikle Gespräch mit Matthiesen führen.
    »Hier im Schatten der Kirche ist es angenehm. Die Luft geht ein wenig. Können wir uns einen Moment setzen?«, bittet Hinrich Jost Matthiesen.
    »Natürlich, aber wohin?«, fragt Ferdinand Overkamp, obwohl es ihm nicht recht gefällt.
    »Was möchten Sie denn mit mir besprechen?«, erkundigt sich der Lübecker, der sich im Schatten an die kühle Kirchenmauer lehnt.
    »Es ist eine sehr delikate Angelegenheit, die meine Familie betrifft«, beginnt Ferdinand Overkamp. »Lange habe ich über eine Lösung nachgedacht und bin dann zu dem Ergebnis gekommen, dass ich mich Ihnen – und nur Ihnen – anvertrauen kann. Niemand, aber auch wirklich niemand in Lippstadt darf davon erfahren! Hören Sie? Niemand!«, sagt Ferdinand Overkamp eindringlich.
    »Sie können auf mich zählen«, versichert ihm Matthiesen.
    »Es käme einem Todesurteil gleich, wenn es sich herumsprechen würde. Aber seien Sie unbesorgt, ich werde Sie um nichts Unehrenhaftes bitten. Gehen wir lieber weiter. Es ist bestimmt schon nach vier Uhr«, drängt er
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