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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt
Autoren: Rita Maria Fust
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soeben aus der Tür getreten ist.
    »Was machen Ihre Kopfschmerzen?«, erkundigt sich Tilemann.
    »Besser«, antwortet Overkamp knapp und wendet sich umgehend wieder seinem Geschäftsfreund zu, der auf den Abfall blickt. »Hoffentlich bringt der Regen bald Abkühlung und spült unsere Stadt wieder frei.«
    Die beiden Männer gehen einige Schritte über die Lange Straße stadteinwärts und kommen zum Marktplatz.
    »Was ist denn mit eurem Rathaus passiert?«, fragt Matthiesen erschrocken.
    »Sie sehen, es ist marode. So ist die ganze Stadt. Aber was drinnen geschieht, ist weit schlimmer als der bauliche Zustand. Stellen Sie sich vor, unsere landesherrliche Regierung zu Detmold wünscht, einen stabilen Oberbürgermeister einzusetzen. Aber unsere beiden Bürgermeister und der Rat wehren sich dagegen. Wir wollen – ich bin auch im Rat, wie Sie vielleicht wissen –, dass in Lippstadt wie immer sowohl ein lutherischer als auch ein reformierter Bürgermeister jährlich von uns gewählt werden. Quod omnis mutatio sit periculosa  – Dass jede Veränderung gefährlich ist, denken viele Ratsmitglieder.« Overkamp sieht das anders. »Sehen Sie lieber rechts hinüber zu unserer Großen Marienkirche. Wir haben auch noch eine Kleine Marienkirche, an der wir auch gleich noch vorbeikommen werden. Aber selbst unsere Große Marienkirche ist nicht so imposant wie Ihre Lübecker Große Marienkirche«, nimmt Ferdinand Overkamp an.
    »Wussten Sie als alter Hansefreund, dass die zentralen Kirchen in Hansestädten meist der Maria geweiht sind? Und in vielen Hansestädten gibt es auch Nicolai- und Jacobi-Kirchen 7 «, ergänzt Hinrich Jost Matthiesen.
    »Sie kennen sich gut aus. Lassen Sie uns hier entlanggehen.« Overkamp zeigt über die Judenstraße hinweg zu einer engen Gasse. »Die Helle Halle ist einer der kleinen, schmalen Pfade, die sich durch unsere Stadt ziehen. Es sind Verbindungswege, auf denen die Lippstädter im Falle eines Angriffs schnell und vom Feind ungesehen von einem Ende der Stadt zum anderen gelangen können.« Auch ich wurde heute Morgen nicht von dem Burschen gesehen, als ich ihm gefolgt bin, denkt Overkamp und sieht seine Worte damit bestätigt.
    In der Hellen Halle erinnert sich der Lübecker: »Ihre Schwester Katharina hat mir erzählt, dass Lippstadt als älteste GründungsstadtWestfalens gilt.«
    »Viele sagen das«, bestätigt Ferdinand Overkamp. »Wir haben hier ein ganz geregeltes, klares Wegenetz. Unsere Hauptstraßen, die Lange Straße und die Cappel Straße verlaufen von Nord nach Süd. Verbunden sind sie durch kleine Querstraßen. Wie eine Leiter mit ihren Sprossen. Da vorne zum Beispiel ist die Poststraße.« Mit ausgestreckter Hand weist er auf eine dieser Querstraßen, wenige Schritte von ihnen entfernt.
    »Das ist ja wie bei uns in Lübeck. Wir haben auch diesen leiterartigen Grundriss mit unseren beiden Hauptstraßen. Eure Stadt scheint gar nicht so alt zu sein. Hier sind viele recht große Grundstücke. An der Ecke zur Judenstraße steht ein kleineres Gebäude, aber die meisten Häuser scheinen mir groß zu sein«, beobachtet Matthiesen interessiert.
    »Wir hatten in Lippstadt fünf große Brände. Allein drei davon waren im 17. Jahrhundert. Der letzte Brand war 1676, also knapp 100 Jahre her. Die Flammen haben unvorstellbar gewütet und alles zerstört. Es gab viele Tote. Fachwerk brennt ja so schnell. Hunderte Häuser brannten nieder. Schade, dass Häuser aus Stein so teuer sind. Wir haben hier nur einige wenige Steinbauten. Einen an der Langen Straße, den zeige ich Ihnen gleich, wenn Sie es wünschen«, sagt Ferdinand Overkamp und erschrickt. Ist das nicht viel zu nah am Pulverschuppen?, überlegt er.
    »Ja, gern.«
    In den vergangenen Jahren hatte Ferdinand Overkamp viel Erfolg als Geschäftsmann und es so zu hohem Ansehen und großem Wohlstand gebracht. Wenn seine Geschäfte auch weiterhin so gut laufen, wird er – so Gott will – in den nächsten Jahren ein eigenes Haus aus Stein bauen können. In ein paar Tagen hat er alle Widrigkeiten aus dem Weg geräumt, sodass diesem Ziel nichts mehr im Wege steht.
    »Was für prächtige Verzierungen in den Querbalken des Fachwerkes. Ich kann es kaum entziffern bei den starken Schwüngen und Schnörkeln der Buchstaben.« Konzentriert blickt Hinrich Jost Matthiesen nach oben. Prächtig sieht die goldene Schrift aus. Overkamp und Matthiesen gehen durch die Helle Halle, an deren Ende die Poststraße nach links und rechts abgeht.
    »Hier in der
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