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Der Kaufmann von Lippstadt

Der Kaufmann von Lippstadt

Titel: Der Kaufmann von Lippstadt
Autoren: Rita Maria Fust
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widmen.
    »Guten Tag, lieber Freund. Diese Hitze macht eine Reise beschwerlich. Selbst die Pferde laufen nicht so wie sonst. Aber jetzt bin ich ja hier. Die Waren sind doch auch eingetroffen?«, erkundigt sich der Lübecker.
    »Ja, sind sie«, antwortet Overkamp. »Willkommen in Lippstadt! Unser Lipper Tor ist ja bei Weitem nicht so imposant wie Euer Holsten Tor. Aber unsere vier anderen sind noch schlichter«, erklärt er. Die beiden Männer verlassen die Brücken am Lipper Tor und gehen über die Lange Straße in die Stadt.
    »Nicht so bescheiden«, widerspricht Matthiesen. »Eure Stadt war immerhin die stärkste Festung zwischen Rhein und Weser!«
    »Sie sagen es, sie war! Glauben Sie mir, unsere Stadt ist heute in denkbar schlechtem Zustand. Alles marode. Wir sind froh, dass seit dem letzten Jahr der Krieg endlich vorbei ist.« Nur mit Schrecken erinnern sich die Lippstädter an den Siebenjährigen Krieg, der von 1756 bis 1763 auch in ihrer Stadt das Leben schwer gemacht hatte.
    »Ich hörte, Friedrich II. war hier«, meint Matthiesen.
    »Ja, Friedrich der Große war sogar mehrere Male in Lippstadt. Auf dem Weg nach Cleve machte er hier Rast und übernachtete beim preußischen Festungskommandanten. Ein prächtiges Gebäude, welches Sie gesehen haben müssen. Wenn wir uns gestärkt haben, zeige ich Ihnen unsere Stadt. Die sollten Sie ein wenig kennenlernen, schließlich kommt Ihre Schwägerin, meine kleine Schwester Katharina, von hier«, erklärt Ferdinand Overkamp. »Als Ihr Bruder im letzten Jahr meine Schwester heiratete, konnten Sie nicht kommen, nicht wahr?«
    »Ja, leider. Ich lag mit hohem Fieber zu Hause und habe eine imposante Hochzeitsfeier verpasst, wie mir später berichtet wurde«, erinnert sich Matthiesen.
    »Fürwahr. Aber heute und in den nächsten Tagen werden Sie unsere Stadt kennenlernen«, sagt Overkamp. Eine Weile hat er überlegt, ob es überhaupt gut sei, seinen Besucher durch Lippstadt zu führen. Viele Häuser stehen leer und verfallen, weil die Bewohner die besetzte Stadt verlassen hatten.
    »Und Sie, werter Freund, werde ich auch kennenlernen. Man sollte immer wissen, mit wem man Geschäfte macht«, ergänzt Hinrich Jost Matthiesen mit einem Lächeln.
    Ich bin ein Mann, der einen Menschen auf dem Gewissen hat, schießt es Overkamp durch den Kopf. Er ringt um Fassung und sagt: »In der Tat. Sie höchst selbst sind ja zum ersten Mal hier, aber unsere Familien kennen sich schon seit der Hansezeit. Überlegen Sie, wie lange das her ist!«
    »Das fragen Sie mich? Jeder Lübecker weiß, dass der letzte Hansetag im Jahre 1669 in unserer Stadt abgehalten wurde. Und Lippstadt war nie so sehr Hansestadt wie meine Heimatstadt«, berichtet der Lübecker in eigener Sache.
    »Aber immerhin, wir waren stets über die Hanseangelegenheiten im Bilde und bis zum Ende der Hansezeit dabei«, stellt der Lippstädter Kaufmann fest. »Aber kommen wir zurück ins gute Jahr 1764.«
    »Was meinen Sie damit, gutes Jahr 1764?«, fragt Matthiesen.
    »Der Krieg ist seit einem Jahr vorbei, und unsere Festung wird geschleift. Es wurde schon an einigen Stellen mit den Arbeiten zum Abbruch der Mauern und Bastionen begonnen. Aber bis die ganze Festung dem Erdboden gleichgemacht ist, dauert es vermutlich Jahre. Das Leben der Lippstädter kann nur besser werden«, erklärt Overkamp und hat dabei vor allem das Wohl und Ansehen seiner eigenen Familie im Blick. »Bitte treten Sie ein, mein Freund! Dies ist unsere Schänke, der ›Goldene Hahn‹.«
    »Franz, ist in der Stadt etwas geschehen«, fragt Overkamp und erschrickt über seine unbedachte Frage. Macht ihn das verdächtig?
    »Nein, werter Herr Overkamp, seit Sie sich eben kurz erkundigt haben, ob ihr Gast schon eingetroffen sei, ist nicht passiert«, antwortet Franz und wundert sich über diese Frage. Was sollte schon in Lippstadt geschehen? Sie alle wussten zu schätzen, dass eben nichts mehr geschieht und alle zur Ruhe kommen können nach dem Krieg.

    Knapp zwei Stunden später treten Ferdinand Overkamp und Hinrich Jost Matthiesen gestärkt aus der Schänke auf die Lange Straße hinaus. Im Schatten vor dem Hause atmen sie tief durch. Drinnen war es stickig und düster gewesen. Die kleinen bleigefassten Scheiben lassen kaum Licht hindurch. Die Luft vor dem Hause riecht übel. Die Abwässer laufen durch kleine Weihen an der Straße. Durch die Hitze fault und modert der Unrat.
    Mit einem Kopfnicken grüßt Ferdinand Overkamp den Besitzer der ›Einhorn-Apotheke‹, der
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