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Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells

Titel: Der Kastrat - Harvell, R: Kastrat - The Bells
Autoren: Richard Harvell
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Flügeltüren aus polierter Eiche. Ich
setzte mich auf die Stufen und hielt dich auf den Knien.
    »Nicolai«, sagte ich. »Wir sind da.«
    Du sahst auf meinen Mund und hüpftest
auf meinem Knie.
    »Ich wünschte, sie wäre hier bei uns,
aber sie ist es nicht. Ich werde tun, was sie mir aufgetragen hat. Ich werde an
diese Türen klopfen, bis sie mir aufmachen und mich singen lassen. Sie werden
uns reich machen, und alle werden unseren Namen kennen. Das, sagte sie, würde
passieren, und ich bin sicher, dass sie recht hatte. Nicolai, wir dürfen nie
wieder von ihr sprechen. Alles, was geschehen ist, muss ein Geheimnis bleiben.
Niemand darf den armen Kastraten aus Wien mit dem Musico in Verbindung bringen,
der ich sein werde. Niemand darf wissen, dass du ein gestohlener Sohn bist. Ich
will nicht, dass du mir weggenommen wirst.«
    Du sahst von meinen Lippen zu meinen
Augen, die sich mit Tränen füllten. Du hast kein Wort verstanden. Aber du
wusstest, dass ich traurig war, und deine Unterlippe begann sich zu kräuseln.
    Deshalb stand ich auf, und wir liefen
auf dem leeren Platz hin und her. Ich hielt dich an meiner Schulter. Ich
umarmte dich fest und ließ die Welt noch zehn weitere Minuten auf meine Stimme
warten. Denn in diesem Moment, mein Sohn, sang ich nur für dich allein.

Anmerkung des Autors
    Die erste Inspiration zu
diesem Buch waren wirkliche Klänge: meine Frau, die eine Arie aus Glucks Orfeo sang; das schrille
metallische Läuten aus dem Glockenturm einer kleinen Kirche in den Alpen; das
Gebimmel schweizerischer Kuhglocken; eine Aufnahme mittelalterlicher Gesänge,
die in der Abtei von Sankt Gallen notiert worden waren. Die darauf folgende
Recherche führte zu einem genauen historischen Schauplatz, auf dem ich meine
fiktiven Figuren agieren ließ.
    Unter Napoleons Einfluss wurde die
Abtei von Sankt Gallen 1805 aufgelöst, sodass Abt Coelestin Gugger von Staudach
(1701–1767) der drittletzte Abt war. Unter Abt Coelestin wurde die
überwältigende barocke Renovierung seiner tausend Jahre alten Abtei
durchgeführt, die den Bau der Kirche von Sankt Gallen einschloss, jetzt
Weltkulturerbe der UNESCO.
    Bezüglich der Topographie Wiens im
achtzehnten Jahrhundert habe ich mich auf Joseph Daniel von Hubers Vogelschauplan der Wiener Innenstadt (1785) gestützt. Spittelbergs berüchtigte Spelunken wurden größtenteils im
frühen neunzehnten Jahrhundert abgerissen, aber das Haus in der Burggasse, in
dem Remus und Nicolai in meiner Fantasie gewohnt haben, steht noch heute, und
im Erdgeschoss befindet sich tatsächlich ein charmantes Kaffeehaus. Das Palais
Riecher basiert auf dem Palais des Fürsten von Cläri, Guadagnis Haus auf einem
bescheideneren Gebäude in der Nähe des Schottentors – beide gibt es heute nicht
mehr. Viele Opern von Gluck, Mozart und Beethoven wurden im alten Burgtheater
aufgeführt, bevor es 1888 abgerissen wurde. Details der Bühnentechnik und
Tassos Unterbühne basieren auf dem hervorragend restaurierten Barocktheater in
Cesky Krumlov.
    Orfeo ed Euridice hatte am 5. Oktober 1762 Premiere, und die vorangehenden Ereignisse,
eingeschlossen die Voraufführung am 6. August 1762 (die jedoch in Calzabigis
Haus stattfand, nicht in Guadagnis), sind in den akkurat geführten Tagebüchern
Graf Karl Zinnendorfs verzeichnet. In den zwei Ausgaben des Wienerischen Diarium , die
nach der Premiere erschienen, existieren nur zwei sehr knappe Kritiken vom 6.
und 13. Oktober. Keine der beiden erwähnt auch nur die Namen der Sänger. Moses’
Aufzählung der bedeutenden Persönlichkeiten, die die Premiere besuchten, habe
ich den Abonnentenverzeichnissen des Burgtheaters entnommen.
    Gluck verließ Wien 1774 und ging nach
Paris, wo er seinen Orfeo umschrieb und der Held vom Kastraten-Mezzosopran zum
Tenor wurde. Gaetano Guadagni kehrte 1769 nach London zurück, aber dort gelang
es ihm nicht, die in ihn gesetzten Erwartungen zu erfüllen, sodass er in
Ungnade fiel und die Stadt zwei Jahre später wieder verließ. Er zog sich nach
Padua zurück, wo er dafür bekannt wurde, dass er die Gesangspartien in
Puppentheater-Aufführungen von Glucks Orfeo übernahm. Völlig mittellos starb er 1792, nachdem er
sein Vermögen für seine vielen Schüler ausgegeben hatte.
    Die Pummerin war 1705 aus 208
türkischen Kanonen gegossen worden und überdauerte bis 1944, als sie im Krieg
von einem Feuer zerstört wurde, das Plünderer gelegt hatten. Sie wurde
eingeschmolzen, neu gegossen und 1957 wieder aufgehängt. Sie läutet jedes
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