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Der Kampf der Insekten

Der Kampf der Insekten

Titel: Der Kampf der Insekten
Autoren: Frank Herbert
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spöttische, undurchdringliche, makellose, sich niemals eine Blöße gebende Übermensch? Mir graut vor Ihnen!«
    »Sie überschätzen mich, meine Liebe«, sagte Chen Lu. »Ein wenig Lebenserfahrung, ein wenig Klugheit, ein wenig Selbstbeherrschung, ein paar Jahre zuviel – mehr steckt nicht dahinter.«
    Aber Joao hatte die Klage in ihren Stimmen gehört, und er erinnerte sich an seinen alten Gefährten Virho, der einmal gesagt hatte: »Ein Mensch klagt das Leben an, weil es einsam ist, und voll von Niederlagen. Aber so sehr er das Leben haßt, er liebt es auch. Es ist wie ein Kochtopf, in dem alles ist, was du haben mußt. Du bist hungrig und ißt daraus, aber du verbrennst dir die Lippen.«
    Plötzlich griff Joao hinüber, zog Rhin an sich und küßte sie, preßte sie gegen sich, grub seine Finger in ihren Rücken. Sie erwiderte seinen Kuß nach einem winzigen Moment des Zögerns – heiß, leidenschaftlich.
    Nach kurzer Zeit löste er sich von ihr, drückte sie fest in ihren Sitz zurück und blieb auf seiner Seite.
    Als sie zu Atem gekommen war, sagte sie: »Nun, was hatte das zu bedeuten?«
    »Ein bißchen vom Tier ist in uns allen«, sagte Joao.
    Rhin lachte, und sie streckte ihre Hand aus und streichelte Joaos Wange. »Du hast es gesagt!«

 
9.
     
    Sie haben ein ungewöhnliches Talent, sich mit Nebensächlichkeiten zu beschäftigen, diese Mengen, dachte das Gehirn. Selbst in der schwierigsten und ausweglosesten Lage streiten und paaren sie sich und verbreiten unaufhörlich Trivialitäten.
    Boteninsekten kamen und gingen durch den Regen und den Sonnenschein, die vor der Höhlenöffnung abwechselten. Es gab kaum noch komplizierte Überlegungen, die Befehle verzögerten; die wesentliche Entscheidung war getroffen: »Fangt oder tötet die drei Menschen bei den Stromschnellen; rettet ihre Köpfe lebendig, wenn ihr könnt.«
    Doch die Meldungen kamen weiterhin, weil das Gehirn befohlen hatte, daß es alles wissen wollte, was die Menschen sagten.
    Soviel Gerede, dachte das Gehirn. Ist es möglich, daß diese Belanglosigkeiten eine Art von Kode sind? Aber wie könnte das möglich sein? Ist mehr an diesen emotionalen Verwirrungen und Widersprüchen, als an der Oberfläche erscheint?
    Das Gehirn hatte seine Logik auf empirischen Pragmatismus gegründet, und so entschied es, diese Phänomene als das zu nehmen, was sie zu sein schienen – unwichtiges Geschwätz, das bis zum Beweis des Gegenteils nur die psychologische Verfassung der Menschen widerspiegelte.
     
    Rhin hatte das Gefühl, unter einem riesigen Brennspiegel im Kreis herum zu treiben. Die Kabine war eine stickigfeuchte Hölle, die ihre Ausdauer überforderte. Die am Körper klebende Kleidung, der Gestank von Moder und Ausdünstungen, die Hoffnungslosigkeit, die Monotonie der Stille – alles nagte an ihren Nerven. Nichts regte sich an den Ufern, kein Vögelruf drang herüber. Nur die tanzenden Mückenschwärme und die schillernd hin und her schießenden Libellen über dem träge ziehenden Wasser erinnerten sie an die unsichtbaren Beobachter im Schatten des Dschungels.
    Wenn die Insekten nicht wären, dachte sie. Die gottverdammten Insekten! Und die Hitze – die gottverdammte Hitze.
    Plötzlich wurde sie von einem hysterischen Anfall geschüttelt und schrie: »Können wir denn nichts tun?«
    Dann begann sie wie verrückt zu lachen.
    Joao packte ihre Schultern und stieß sie gegen ihre Sitzlehne, bis ihr Lachen in ein trockenes Schluchzen überging.
    »Oh, bitte, bitte tut etwas!« jammerte sie.
    Joao zwang alles Mitleid aus seiner Stimme, um sie zu beruhigen. »Reiß dich zusammen, Rhin. Du bist kein Kind mehr.«
    »Diese gottverdammten Insekten!« sagte sie matt.
    Chen Lus Stimme kam heiser aus dem Hintergrund: »Vergessen Sie bitte nicht, Doktor Kelly, daß Sie Entomologin sind.«
    Diese Bemerkung kam ihr ungeheuer komisch vor, und sie fing von neuem zu lachen an. Ein Schütteln von Joaos Armen brachte sie zum Verstummen. Sie nahm seine Hände von ihren Schultern, hielt sie und sagte: »Ich bin schon in Ordnung, wirklich. Es ist die Hitze.«
    Joao schaute mißtrauisch in ihre Augen. »Bist du sicher?«
    »Ja.«
    Sie ließ seine Hände los, legte ihren Kopf gegen die Nackenstütze und starrte dumpf aus dem Fenster. Das langsame Vorbeigleiten des Ufers war hypnotisch und einschläfernd zugleich – Kohlpalmen und Baumfarne, vereinzelte Gruppen von Buritipalmen mit ihren schöngefiederten Wedeln. Der Fluß war breit, und das braune Wasser schien ständig im
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