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Der Kampf der Insekten

Der Kampf der Insekten

Titel: Der Kampf der Insekten
Autoren: Frank Herbert
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nicht mehr fern, und die Tageshitze lag drückend auf der Stadt. Von den Straßen, den verkommenen Häusern und kotigen Hinterhöfen stieg ein muffiger, feuchtheißer Gestank auf und vermischte sich mit den Körpergerüchen der schwitzenden Menschen, die sich auf dem schmalen Gehsteig drängten, mit den süßlichen, erstickenden Abgasen der Fahrzeugkolonnen. Alles dies, besonders aber der saure Schweißgestank ungewaschener Menschenleiber, erweckte in ihm eine Sehnsucht nach den reinen und vertrauten Düften der Natur. Und noch etwas war hier im dichtbesiedelten Tiefland, etwas, das von den vielfältigen Gerüchen überdeckt wurde, aber immer wahrnehmbar blieb und ihn mit einem unhörbaren Summen von Unbehagen erfüllte. Hier waren größere und größere Konzentrationen chemischer Insektengifte.
    Menschen waren überall um ihn, nahe und drängend, und ihre Bewegung wurde langsamer und langsamer, als sie sich dem Engpaß des Kontrollpunkts näherten.
    Dann hörte die Vorwärtsbewegung auf.
    Die Menschenschlange stand, schlurfte einen Schritt vorwärts, stand, schob sich ein Stückchen weiter, stand …
    Hier war die entscheidende Probe, und sie war unvermeidbar. Er wartete mit der stoischen Geduld des Indianers. Ein Schritt vor und Stillstand. Ein Schritt vor und Stillstand.
    Die Sonne brannte.
    Nun konnte er den Kontrollpunkt sehen.
    Wohlgenährte Bandeirantes in weißen Schutzanzügen, mit Plastikhelmen, Handschuhen und Stiefeln standen auf beiden Seiten eines schattigen, überdachten Ziegelkorridors. Er konnte das grelle Sonnenlicht auf der Straße hinter dem Korridor sehen, Leute, die den Spießrutenlauf hinter sich gebracht hatten und davoneilten.
    Der Anblick dieser freien Fläche jenseits der Kontrollstation erfüllte ihn mit quälender Sehnsucht, aber er unterdrückte die instinktive Regung. Keine Ablenkung war hier erlaubt. Jeder Teil von ihm mußte wachsam sein, um die Schmerzen zu ertragen.
    Ein Schritt vor und – er war in den Händen des ersten Bandeirante, eines vierschrötigen, blonden Kerls mit rosa Haut und blauen Augen. Der Mann warf einen Blick auf seinen Ausweis, einen zweiten in sein Gesicht.
    »Name?«
    »Antonio Raposo Tavares«, krächzte er.
    »Distrikt?«
    »Araguaia, Goias.«
    »Gebt diesem hier eine Extrabehandlung«, rief der blonde Kerl. »Der ist bestimmt aus dem Landesinnern.«
    Eine behandschuhte Faust stieß ihn grob weiter, und er sah sich zwei Bandeirantes gegenüber. Der eine drückte ihm ohne Umschweife eine Atemmaske vors Gesicht, der andere stülpte einen Plastiksack über ihn. Von dem Sack führte eine Schlauchleitung zu irgendeiner unsichtbaren Maschinerie hinter einer halboffenen Tür.
    »Doppelladung!« rief einer der Bandeirantes.
    Rauchiges blaues Gas schoß in den Plastiksack um ihn, blies ihn auf. Er tat einen keuchenden Atemzug durch die Maske, erstaunt über dieses plötzliche Verlangen nach giftfreier Luft.
    Agonie!
    Das Gas durchdrang jede der vielfachen Verbindungen seiner Körperstruktur mit stechendem, lähmendem Schmerz. Wir dürfen nicht schwach werden, dachte er. Wir müssen durchhalten.
    Aber es war ein tödlicher Schmerz. Mörderisch. Bindeglieder begannen schwach zu werden.
    »Fertig!« rief eine Stimme. Der Sack wurde weggezogen, die Atemmaske abgenommen. Hände stießen ihn weiter durch den Korridor, dem Sonnenlicht entgegen.
    »Los, Bewegung, Bugre! Du hältst den Betrieb auf!«
    Der Gestank des Giftgases hüllte ihn ein, steckte in seinen zerlumpten Kleidern. Es war ein neues Gas, ein Auflöser. Sie hatten ihn nicht auf dieses Gift vorbereitet. Er hatte mit den alten Insektiziden gerechnet, mit Strahlen und Ultraschall … aber nicht mit diesem.
    Sonnenhitze schlug auf ihn herab, als er aus dem Korridor kam. Er bog nach links und erreichte eine schmale Seitengasse mit Verkaufsständen und Händlern, die fett und wachsam hinter ihren Waren standen oder mit Kunden feilschten. Er schlurfte weiter, so schnell er es riskieren konnte, ohne Mißtrauen zu erwecken, wich den Käufern und den herumstehenden Müßiggängern aus.
    »Avocados? Frische Orangen, Seo?«
    Eine fettige olivgelbe Hand streckte zwei Orangen vor sein Gesicht.
    Er wich der Hand aus, aber der Duft der Orangen war nahe daran, ihn zu überwältigen. Dann hatte er die fliegenden Händler hinter sich. Am Ende der Gasse bog er nach rechts, sah weit voraus das lockende Grün und beschleunigte seine Schritte, versuchte auszurechnen, wieviel Zeit ihm noch bliebe. Er wußte, daß es knapp ausgehen
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