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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs.
Autoren: Titus Müller
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Graf Godeoch
     und Biterolf, der Notar. Welchen Grund habe ich zu zweifeln?«
    Da war eine Bewegung bei Claudius. Biterolf sah hinüber. Der Bischof hatte die Hände zum Gesicht erhoben und fuhr sich darüber,
     wie ein alter Mann. Dabei schüttelte er den Kopf.
Es wird ihn nicht glücklich machen, Germunt hier zu sehen,
dachte Biterolf.
    Der Legat richtete sich auf. »Also, welchen Grund habe ich zu zweifeln?«
    Nun hatte Germunt den Wagen erreicht, stand so dicht neben Godeoch, daß ein Schwerthieb des Grafen ihn niederstrecken konnte.
     Er griff sich unter das Hemd, zog eine Pergamentrolle hervor und reichte sie hinauf. »Diesen.«
    |413| Stirnrunzelnd entrollte der Legat das Schriftstück. Er besah sich zuerst die Siegel.
    Laß ihn die Fälschung nicht erkennen, bitte, Gott.
Biterolf schluckte. Er hatte Germunt ältere Briefe der Äbte gegeben, die er in der Schreibstube aufbewahrt hatte. Für das
     Siegelwachs hatten Germunt und er mehr Fett und weniger Pech verwenden müssen, damit es länger weich blieb und Germunt Zeit
     hatte, mit dem Federkiel das jeweilige Siegel in das Wachs zu zeichnen.
    Der Legat begann zu lesen, laut, stockend: »Godeoch, Graf zu Turin, in aller Demut. Ist das Amt eines
comes
nicht dem eines geistlichen Hirten gleich, so bedeutet es doch eine ähnliche Verantwortung vor Gott für den anvertrauten Acker.
     Claudius, als Bischof in Turin eingesetzt, wirft möglicherweise Unkraut auf diesem Lande aus, und deshalb bitten wir unseren
     Vater Paschalis in Rom, folgendes zu prüfen: Erstens. Es ist wahr, daß Claudius durch das Studium der Bibel zu neuen Ansichten
     gekommen ist. Zweitens. Es ist wahr, daß er deshalb mit eigener Hand die Bilder aus der Bischofskirche entfernt hat.«
    Godeoch unterbrach den Legaten mit lautem Rufen. »Das habe ich nie geschrieben. Niemals!« Ein einziger Blick der Raubvogelaugen
     brachte ihn zum Schweigen.
    »Drittens. Wir bezeugen: Claudius verkündigt, das Volk sei verwirrt, wenn es Holz und Stein anbete anstelle des Herrn Jesus
     Christus. Viertens. Wir bezeugen: Claudius verkündigt, daß allein Gott Anbetung verdient. Fünftens. Wir bezeugen: Claudius
     behauptet, die Heiligen hätten nie göttliche Ehre für sich beansprucht. Damit nicht Verwirrung in den Herzen der Einfältigen
     herrscht, bitten wir, uns Ruhe zu geben durch eine Nachricht, ob diese Gedanken den Lehren der allgemeinen Kirche entsprechen
     oder ob sie der Berichtigung bedürfen. Gegeben zu Turin, im 6. Jahr der Herrschaft Ludwigs, in der 13. Indiktion, 820 Jahre
     nach der Geburt unseres Herrn Jesus Christus.« Der Legat nahm einen tiefen Atemzug. »Es sind die gleichen Unterzeichner.«
    |414| Mit würdevoller, langsamer Bewegung erhob sich der Legat und hielt beide Pergamente vor dem Volk in die Höhe. Von Biterolfs
     Platz aus war die Schrift nicht zu erkennen, aber er konnte die umfangreiche Initiale auf Germunts Schriftstück ausmachen.
    Laut und aus tiefer Kehle sprach der Legat: »Dies hier kann nur eine schlechte Fälschung sein. Welch grobe Hand hat das Schreiben
     verfaßt! Dagegen die feinen Zeilen, die Verzierungen auf jenem Pergament! Graf Godeoch, Ihr habt versucht, seine Magnifizenz
     Papst Paschalis zu betrügen und damit Gott.«
    Bleich wie Kalk stand Godeoch da. »Wartet. Biterolf –« Biterolf schüttelte den Kopf.
    »Suppo, Ihr wißt, was Ihr gesiegelt habt!«
    Die Köpfe wendeten sich. Auf seinem Roß saß aufrecht der blasse Brescianer, die schwulstigen Lippen geschlossen, den Schielblick
     in die Ferne gerichtet.
    Der Legat sah ihn ebenfalls an. »Nun?«
    Eine Weile war es still, dann sagte Suppo: »Ein böser Verrat, wie Ihr sagt.«
    Godeochs lauter Schrei gellte über den Platz. »Ihr lügt! War nicht die Hure Isabella bei Euch in jener Nacht, in der Ihr gesiegelt
     habt?«
    Das Pferd tänzelte ein wenig, scheute vor der gellenden Stimme zurück. Mit kurzem Zügel brachte es Suppo zur Ruhe. »Ich kenne
     keine Isabella.«
    War er eben noch bleich gewesen, schoß Godeoch nun die Zornesröte ins Gesicht. Er schleuderte seinen Arm in Richtung des Brescianers.
     »Das werdet Ihr bereuen! Niemand fällt Godeoch in den Rücken!«
    Der Brescianer saß ungerührt auf seinem Pferd, und Mauring tätschelte seinen Hals, als wäre der Wortwechsel an ihm ungehört
     vorübergegangen.
    »Ihr irrt«, sagte der Legat. »Ihr seid derjenige, der bereuen wird. Graf Suppo, ich übergebe Godeoch Eurem Gewahrsam. Bestraft
     ihn mit Härte.«
    |415| Suppo neigte seinen Oberkörper im
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