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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs.
Autoren: Titus Müller
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zu antworten. Vielleicht |403| um Biterolf für seine Ungeduld zu bestrafen, wechselte er die Feder und tauchte den Kiel in das Fäßchen mit grüner Tinte.
    »Was tut Ihr? Warum schreibt Ihr nicht weiter?«
    Mit dem Gesicht noch näher am Pergament, füllte Germunt zwei Zwischenräume der Initiale aus. Die Tinte floß reichlich, es
     blieben glänzende, grüne Flecken. Dann folgte er einem schwungvollen roten Bogen, ihn rechts und links mit kleinen Blättern
     verzierend. Der gespaltene Kiel gab leise, kratzende Geräusche von sich. Germunt fuhr sich mit der Zunge über die Lippen.
    »Ich gebe zu, das ist sehr kunstfertig«, sagte Biterolf. »Ja, das ist es.«
    Nachdem er der Tinte einige Augenblicke Zeit gegeben hatte, auf dem Pergament zu trocknen, wechselte Germunt erneut die Feder.
     Er hatte den Lesenden mit Ranken gefesselt – wie Claudius, der von Feinden umzingelt war. Jetzt brauchte der Mensch Haare.
     Germunt streckte den Ellenbogen weit von sich, wiegte weich das Handgelenk. Schließlich zeichnete er Wellen um das kleine
     Gesicht.
    »Wann werdet Ihr weiterschreiben? Warum muß die Initiale ein Viertel der ganzen Seite füllen?«
    Irgend etwas fehlte noch. Das Bild war nicht fertig. Es würde ihm einfallen, ganz sicher; vorerst konnte er am Text weitermachen.
     Germunt wechselte zu schwarzer Tinte.
Ein kleines e. Ein kleines p, ja, sorgfältig die Unterlänge … Ein kleines i. Und weiter, s-c-o-p-u-s. Ich liebe diese Arbeit.
Germunts Blick blieb am Bild hängen. Natürlich! Unter dem Gewand mußten Füße hervorschauen!
    »Germunt, wenn ich ehrlich bin, habe ich noch nie jemanden so langsam schreiben gesehen. Was, wenn es schon hell wird, bevor
     Ihr die Hälfte fertig habt?«
    Germunt nahm die Feder in die Höhe. »Biterolf, gebt Ruhe. Ich werde es schaffen. Und ich werde es gut machen, besser als gut.
     Dies wird mein Meisterstück. Wißt Ihr, wieviel davon abhängt?«
    ***
    |404| Man hatte auf dem Marktplatz von Turin einen Karren umgedreht und ihm die Räder abgenommen. Auf diesem Podest stand ein Stuhl,
     mit rotem Stoff überzogen. Von überallher strömte das Volk auf den Platz. Es wurde von Bütteln sofort an die Ränder gedrängt
     und mit Stangenwaffen zurückgehalten, so daß in der Mitte ein freier Raum blieb.
    Germunt stieß seine Ellenbogen in dicke und dünne Bäuche, traf Arme, Rücken und Schultern. Endlich war er nach vorn gelangt
     und konnte seinen Blick über die Menschen wandern lassen. Dort gegenüber stand Biterolf, nicht zu übersehen mit seinem schweren
     Körper, den er gegen die Lanze lehnte. Neben ihm Kanzler Eike, einige andere vom Bischofshof.
    Zwei Pferde neigten auf der Südseite des Platzes die Köpfe über die Begrenzung. Suppo und Mauring saßen obenauf im Sattel,
     bleich, mit jener Geste der Selbstgefälligkeit, die sie über alles Volk erhob.
    Nicht weit von ihnen stachen vier rote Schöpfe aus der Menge heraus.
Ich werde mich vorsehen müssen.
Wie Statuen standen die Bluträcher nebeneinander, eine Hand auf dem Schwertknauf, die andere in die Seite gestemmt, und nicht
     ein vorwitziges Kind wagte es, sich zwischen ihnen hindurchzudrängeln. Sie blickten fordernd auf die Volksmenge, als seien
     sie die Herren der Stadt.
    Germunt war fast die ganze Menschenfront mit den Augen entlanggefahren. Da entdeckte er auf seiner eigenen Seite des Platzes
     Schultern, auf denen abgewetzte Lederkleidung ruhte. Fingerlange, schwarze Haare, ein breites, knochiges Gesicht.
Er ist tatsächlich hier. Und wenn Biterolf recht hatte?
Obwohl ihn sein Verstand mahnte, der Sache nicht nachzugehen, und schon gar nicht in Rufweite der Bluträcher, drängelte sich
     Germunt in die Menschenmenge hinein, bis er dicht hinter dem Jäger stand.
    »Warum steht Ihr nicht bei Euren Verbündeten?« sprach Germunt wie beiläufig hinter Otmars Rücken. Der Wolfsjäger rührte sich
     nicht. »Otmar.«
    |405| Jetzt zuckten die Schultern zusammen, und der Mann fuhr herum. Er schaute einige Augenblicke ungläubig. »Germunt! Was tut
     Ihr hier?«
    »Sollte ich Euch das nicht auch fragen? Ich dachte, Ihr jagt Wölfe nördlich der Alpen?«
    »Das tue ich auch.
Auch. «
    »Und was noch? Menschen? Ihr habt Geld von den Franken genommen, nicht wahr?«
    »Was ist das? Wollt Ihr zu Gericht über mich sitzen?«
    »Mich würde nur interessieren, wofür sie Euch bezahlt haben.«
    »Das war kein Geld für mich, es war Geld für den Grafen Suppo.«
    Germunt schluckte, kniff die Augen zusammen. Das ging ein wenig zu
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