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Der Kalligraph Des Bischofs.

Der Kalligraph Des Bischofs.

Titel: Der Kalligraph Des Bischofs.
Autoren: Titus Müller
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Gesicht abgewandt, während er die Buchstaben auf die Tierhaut kratzte:
»Biterolf, Notar des Bischofs Claudius, ich bestätige.«
    Auf dem Weg zurück zum Bischofshof murmelte er vor sich hin: »Godeoch, Graf zu Turin, in aller Demut. Ist das Amt eines comes
     …«
     
    Der Dämon stand vor der Kirche, als Biterolf durchs Tor auf den von Pfützen übersäten Hof trat. In ein dunkelgraues Gewand
     gekleidet, die Augenbrauen weit erhoben, spitzte der Legat die Lippen und brachte seine Kleriker zischend zur Ruhe. Er machte
     eine Bewegung mit dem Arm, wie ein Priester, der seine Gemeinde segnet, und jeder verstummte, an dem die Hand vorbeigeschwebt
     war. Claudius stand neben ihm, aber sein Blick hing irgendwo in der Ferne.
    Sobald sich der Legat umgewandt hatte und die Kirchentür öffnete, eilte Biterolf zwischen den Pfützen näher. Seine Füße lösten
     sich nach jedem Schritt schmatzend vom aufgeweichten Boden. Hinter dem letzten Kleriker schlüpfte er mit hinein. Die Tür schloß
     sich.
    Alle neu in den Kirchenraum Getretenen drängten sich |401| schweigend an die hintere Wand. Rußbahnen und die Unregelmäßigkeit des abgeplatzten Kalks ließen den Kirchenraum wie eine
     Höhle erscheinen, eine in den Fels gehauene Höhle. Kerzenflammen malten leuchtende, schwankende Kreise an die Wände: In der
     Mitte des Raumes knieten Langobarden, die langen, grauen Haare auf ihren Rücken ruhend, die Schwertklingen vor sich aufgerichtet
     und die Hände auf den Knauf gelegt. Sie beteten still. Biterolf empfand in der barbarischen Roheit des Raumes eine Gottesehrfurcht,
     die sich nach Weite und Kühle anfühlte, und ihn verführen wollte, ebenfalls niederzuknien. Er zwang sich, den Legaten anzuschauen.
    Das Kinn unter den aufgedunsenen Wangen war etwas abgesenkt, die Stirn nach vorn gebeugt, und so blickte der Legat wie ein
     Untergebener zu seinem König von unten herauf in den Raum. Er schien in jeden Winkel zu spähen, mit seinen Augen jedes Staubkorn
     zu mustern. Dann plötzlich kehrte er der Höhle den Rücken und deutete auf die Tür. »Genug. Wir gehen.«
    Was denkt er? Hat ihn das andächtige Gebet der Langobarden so bewegt wie mich?
Biterolf biß sich auf die Unterlippe .
Man hat ihm nichts angesehen, aber auch gar nichts. Weder einen Schrecken wegen des kahlen Raums noch Freude über die Betenden.
    Beinahe wären sie in Ademar hineingestolpert. Der Abtrünnige trug einen neuen, blauen Umhang, hatte Prunkringe an den Fingern,
     streckte die Brust heraus, als sei er ein junger Herr. Drei Büttel gingen mit ihm und lockerten sofort die Schwerter in ihren
     Scheiden, als sie Claudius erblickten.
    Ademar neigte kurz den Kopf, und als sei ihm die Bewegung unangehm gewesen, federte er wieder in die Höhe. Sein listiges,
     grünes Augenpaar lag nicht auf Claudius, sondern auf dem Legaten. Nur ab und an huschte sein Blick zum Bischof hinüber, als
     wolle er sichergehen, daß der sich nicht mit der Waffe auf ihn stürzte.
    |402| »Mein Herr Godeoch bittet Euch, morgen zur Mittagszeit auf den Markt zu kommen. Er möchte Euch dort ein Dokument übergeben,
     das den Fall des Bischofs klären wird.«
    »So? Und warum schickt er das Dokument nicht mit Euch?«
    Ademar stutzte sichtlich.
    »Warum läßt er es Euch nicht bringen?«
    »Der Graf, ähm, würde es gern vor dem Volk überreichen, damit alles offen und redlich zugeht.«
    »Ein Schaugericht also. Ich hoffe für den Grafen, daß es ein gutes Dokument ist.«
    »Sicher.«
    »Wird das einzurichten sein, Herr Bischof, um die Mittagszeit?« wandte sich der Legat an Claudius.
    Biterolf schluckte, als er den Blick des Bischofs sah, der auf Ademar zur Ruhe kam. Abscheu und Verachtung lagen in den graublauen
     Augen.
    »Natürlich.«Schweißtropfen rannen Germunt den Rücken hinunter. Das Hemd klebte an seinem Körper, und es plagte ihn ein Jucken
     auf der Stirn, so sehr, daß er seinen Federstrich immer wieder unterbrechen mußte, um sich mit dem Arm über das Gesicht zu
     fahren.
    ***
    »Ist alles in Ordnung?«
    Er sah zu Biterolf auf. »Stopft Ihr nur weiter die Löcher im Türrahmen. Es darf kein Licht nach draußen dringen.«
    »Germunt, ich –« Der Notar verzog das Gesicht. »Ich sage es ungern, aber Ihr habt Euch jetzt schon sehr lange mit der ersten
     Zeile aufgehalten, was sage ich, mit den ersten Worten, und Ihr wißt doch, diese Nacht ist alles, was wir haben. Meint Ihr
     nicht, daß Ihr es mit der Sorgfalt ein wenig übertreibt?«
    Germunt entschied sich, nicht
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