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Der Junge mit dem Herz aus Holz

Der Junge mit dem Herz aus Holz

Titel: Der Junge mit dem Herz aus Holz
Autoren: John Boyne
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nie …?«
    »Kein einziges Mal. In sechsundfünfzig Jahren.«
    »Sie sind sechsundfünfzig Jahre alt?«, fragte der Junge und riss vor lauter Begeisterung den Mund sperrangelweit auf. »Dann sind wir ja genau gleich alt.«
    »Tatsächlich? Aber du siehst nicht einen Tag älter aus als acht.«
    »Ja, klar, weil ich ja auch acht bin«, antwortete Noah. »Aber in Hundejahren wäre ich sechsundfünfzig.«
    Der Dackel knurrte laut, und das Lächeln verschwand von seinem Gesicht. »Ich würde sagen, das ist eine extrem unhöfliche Bemerkung«, sagte er nach einer Weile. »Warum musst du so was sagen? Ich bin doch wirklich sehr nett zu dir. Ich habe nichts Unfreundliches über deine Größe gesagt. Beziehungsweise über das Nichtvorhandensein derselben«, fügte er theatralisch hinzu.
    Noah bedauerte sofort, was er gesagt hatte. »Tut mir leid«, murmelte er, aber es wunderte ihn doch, dass der Dackel seine Worte so persönlich genommen hatte. »Ich wollte Sie nicht beleidigen.«
    » WUFF !«, bellte der Dackel, und dann grinste er wieder breit. »Na – schon vergessen«, sagt er. »Und wir sind wieder Freunde. Aber wir sprachen gerade über den Baum … Also, das eigentlich Spannende ist ja gar nicht der Baum.«
    »Es ist der Laden dahinter«, sagte der Esel.
    Noah schaute wieder zu dem komisch gebauten Haus, das jetzt zum größten Teil von den Zweigen verdeckt war, als hätte sich der Baum in den letzten Minuten ausgebreitet, um es vor neugierigen Augen zu schützen.
    »Was ist so spannend an dem Laden?«, fragte Noah. »Er sieht aus wie ein typischer kleiner, etwas heruntergekommener Laden, finde ich. Aber ich muss sagen, meiner Meinung nach haben die Maurer nicht besonders gut gearbeitet. Das Haus ist völlig chaotisch zusammengebastelt. Wahrscheinlich stürzt es beim nächsten Windstoß ein.«
    »Aber das denkst du nur, weil du nicht richtig hinschaust«, sagte der Dackel. »Sieh’s dir noch mal an.«
    Noah starrte auf die andere Straßenseite und holte tief Luft. Durch die Nase. Er hoffte, dasselbe zu sehen wie sein neuer Freund.
    »Den Laden gibt es schon länger, als ich lebe«, sagte der Dackel, und er klang richtig ehrfürchtig. »Der ältere Herr, der dort gewohnt hat – er ist jetzt natürlich schon tot –, also, er hat vor vielen Jahren den Baum gepflanzt, um alles noch ein bisschen schöner zu gestalten, musst du wissen. Aber der Laden selbst ist viel älter.«
    »War er dein Freund? Ich meine, der Mann, dem der Laden gehört hat.«
    »Ein sehr guter Freund sogar«, erwiderte der Dackel. »Er hat mir immer einen Knochen zugeworfen, wenn ich vorbeikam, und solche Nettigkeiten vergisst man nie.«
    »Du hast ihn nicht zufällig noch, oder?«, fragte der Esel.
    »Nein, leider nicht«, sagte der Dackel. »Das ist doch schon Jahrzehnte her.«
    »An Knochen ist oft noch was Gutes dran«, sagte der Esel nachdenklich. Er schaute Noah an und wurde auf einmal fast lebhaft. »Sogar was sehr Gutes!«
    »Der Sohn des alten Herrn ist selbstverständlich ebenfalls mein Freund«, fuhr der Dackel fort. »Auch ein großartiger Mensch. Er hat als Kind hier gewohnt, ist dann allerdings längere Zeit aus unserem Leben verschwunden. Doch schließlich und endlich ist er wieder zurückgekehrt, und er wohnt jetzt immer noch dort. WUFF ! Mein eigener Vater hat mir erzählt, wie der alte Herr einen Samen gepflanzt hat und wie aus dem Samen ein Schössling wurde. Und dieser Schössling entwickelte sich schon bald zu einem Baum mit Zweigen, und an den Zweigen waren Blätter, und ehe irgendjemand im Stadtrat die Möglichkeit hatte, darüber abzustimmen, stand dieser gewaltige Baum mitten in unserem Dorf.«
    »Er sieht aus, als würde er schon seit Jahrhunderten da stehen«, sagte Noah.
    »Stimmt«, sagte der Dackel. »Aber ganz so alt ist er nicht.«
    »Trotzdem ist das, was passiert ist, doch gar nicht unüblich«, sagte Noah. »So ist das eben in der Natur. Ich habe alles über die Natur in der Schule gelernt. Und dass der Baum so gut gewachsen ist, daran ist auch nichts Besonderes. Vielleicht war der Boden sehr gut. Oder vielleicht waren es Baumsamen, die schnell wachsen. Oder jemand hat den Baum einmal in der Woche mit Spezialdünger gedüngt. Meine Mutter macht das bei ihren Pflanzen, und irgendwann hat sie mich dabei erwischt, wie ich mir das Zeug über den Kopf gekippt habe, damit ich größer werde. Da hat sie mich gezwungen, mich auszuziehen, und hat mich mit dem Schlauch abgespritzt, im Garten hinterm Haus, wo alle
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