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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman
Autoren: Hans Fallada
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Sie sollen sie sehen …«
    »Nein, wirklich …«
    »Doch, nur die letzten …«
    »Die letzten …?«
    »Die von heute!«
    »Von heute!«
    Und da es Kai überfiel: Nun kommt es, fühlte er den Blick des Freundes auf dem Gesicht, rufend, fragend, weckend: ›Tam. Tam. Tam. Kai, was ist das? Tam! Tam! Logst du?‹
    Zwang, zwang, drückte die Schultern, presste Wärme zum Gesäß, die doch stieg, wellengleich, überpurpurnd die Wange, Schläfen röstend. Sah vor sich, fühlte doch Freundesblick bohren. Zwischen den Zähnen klopfte Stahlfinger: Gefahr! Ende!
    Sah: Ilses Hand flatterte vom Tischrand auf, winkte taubengleich mit Flügeln, sank nieder dann, schwer, dem getroffenen Fasan, der klatschend ins Rübenkraut schlägt, gleich. Und sie barg das Gesicht an der Freundin, die Beruhigung streichelte.
    »Hier …«
    Arne griff zu, faltete auseinander, rasch, fest (›so anders wie ich damals!‹), laut klang das Datum –: »Von gestern also … Kai, von gestern …«
    Schwieg jener. (›Verrückt ist das, fälschen sie Briefe?‹)
    (›Unschuldig! Unschuldig! Doch verloren …!‹)
    »Aber schrecklich ist das! Hundsgemein! Gnädige Frau, darf ich Sie um einen andern Brief bitten, von vielleicht vor einer Woche …?«
    Frageblick, aufgewacht. Harte Mutter ist wieder da, doch immerhin: »Bitte.«
    »Es ist dieselbe Schrift, Kai, willst du bitte vergleichen …«
    (›Sie schwanken in seiner Hand! Wie aufgeregt er ist. Er glaubt mir nicht! Und auch ich kann nicht verstehen …‹)
    »Gnädige Frau, ich verstehe alles. Ihr Verdacht war berechtigt – ich meine, heißt das, Sie dürfen überall Verdacht haben, so groß ist diese Gemeinheit. Ich habe hier nichts mehr zu suchen. Guten Abend, gnädige Frau, guten Abend …«
    Tür auf. Tür zu. Sie schwiegen, hörten den Schritt auf dem Gang, Tür zu. Fort ist er. Und in Kais Hand schwankt noch das Briefblatt, gleich gehen die Augen ihm zu, gleich wird er entlarvt, gleich – da beginnt Schaffner zu lachen, er krümmt sich, patschig bedröhnen die klumpigen Hände die Schenkel. Speichel tropft er, da die Backen schwellen, Fett das Auge umquillt, stöhnt: »So ein Schauspieler! Gottverdimmmich! So ein Schauspieler!«
    »Ich bitte Sie sehr, Herr Schaffner! – Verzeih, liebe Irene, er ist dein Freund, aber dies …«
    Sah um sich, triumphierend: »Natürlich ist er es …«
    Schaffner, noch lachschluchzend: »Natürlich …«
    Lotte schrillte: »Er!«
    Auch Ilse schob’s nicht weg, ihr Blick sagt’s ja, beruhigter Freundesblick schon, da er Kai streifte: »Stets glaubte ich dir …«
    Und Irene zweifelnd: »Sie meinen …?«
    »Versteht sich!«
    »Aber das ist doch klar!«
    »Aber nein! Irene!«
    »Doch wie ist das, Herr Goedeschal? Sie sprach er an … mit der Schrift … was war das …? ›Gleiche Schrift‹?«
    Und nun waren sie da, die Augen, strengste Frage.
    »Ich … verstand … nicht. Was wollte er?«
    »Das fragen wir Sie! Sollten Sie gewusst haben?«
    Und da Kais Gesicht tiefer sank, nur die Hand wehte noch müden, hoffnungslosen Protest: »Sie ahnten? Es ehrt Sie: dem Freunde gegenüber. Trotzdem hier … zweifelhaft … immerhin …«
    »Doch was geschieht nun?«
    »Ich muss gehen, nein, keine Zeit mehr …«
    »Ehrt Sie, Herr Goedeschal, ehrt Sie!«
    »Auch ich gehe, gnädige Frau, mein Zug fährt um sieben …«
    »Ich begleite dich, Irene …«
    »Schön, Kinder, schön. Also auf Wiedersehen. Dies erledige ich allein mit Schaffner.«

73
    Stiller Park, dunkelnder. Streicht Wind durch die Wipfel, steht warm doch drunten nebliger Erddampf, feuchtet die Wange und verheißt Schritt um Schritt neuen Trost. Ihre Worte waren hinten geblieben, wo Laternenschein flackerte; nun sang still ihr Gang selbstbesinnende Ruhe, bis es geboren ward, stark und beinahe Frage: »Und ich glaube doch an ihn! Er ist unschuldig! Einen Grund, sagt einen Grund, warum er es tat! – Umsonst … Unschuldig ist er!«
    Irene schwieg, und Kai fragte in sich, ob auch sie’s nicht merkte, wie umsonst Reden, da Wind vorher wie nun wehte, – Wind, der nichts weiß. Wandern … Auf unsichtbarem Fluss standen die glostenden Lampenreflexe der Uferpromenade.
    Über das Geländer gelehnt, spürten die drei das leise Beben des Kettenbrückchens, lauschten dem endlosen Hingang des Wassers.
    Nun klagte Irene: »Sie schweigen, Goedeschal? Schon denganzen Abend schweigen Sie; doch so verhalten ist das, kein einfaches Stillsein, Protest loht …«
    »Oh …«
    »Schonen Sie den Freund …«
    Und da
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