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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman
Autoren: Hans Fallada
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Gesicht, Schlag in Gesicht, Schlag in Gesicht, das klatschte wie Brei, tropfte, nässte.
    Gurgelte jener Schmerz, wortlos. Doch wehrlos – stand hündischer Grinser in Nacht.
    Da Kai sich wandte, schleppend den Schritt, Adergehäuse entleert, die Treppen hinabstieg zum Sterngeglänze, Flackergas dann, mündend in Hohlschacht Gasse, achtsam nun besorgt, Steinplatten nur zu treten und Ritzen zu meiden.
    Hirn ging und drehte: Nippesgedanken, Bilderchen, süße, Gartenlaube, Daheim …
    Bis sein Schrittrhythmus nicht mehr allein die Nacht in Stücke zerlegte, sondern ein Schatten, an Hauswand gekrümmt, gleich ihm schritt, sanfter nur, und Stimme nun klang: »Kai, hier … dein Revolver …«
    Und da war es, dass Kai fußgehemmt verharrte, Hand hob auf die Schulter des Hans, schüttelte den, nach rückwärts und vorn, dass sein langhalsiger Kopf dröhnend die Hauswand betanzte – indes Kai lachte und lachte, gellend und kullernd, aus Gefühlbrei heraus, getrieben, achtlos, ahnungslos, sinnlos …
    Bis er weiterging dann, nun den Hals wieder verschnürt und Luft kaum krächzend, – nachtdurch heimwärts, zimmerallein gebannt zu sein, nachtgegeben zu hocken: weil es unmöglich, Arne noch zu erreichen, zu erklären, versichern, dass man schuldlos – wenn nebenbei auch Judas –, da Schirmer …
    Nachtdurch heimwärts ging, indes Stadt von Getriebebrauste und eben vielleicht verräterisches Wort lebenendend unhinderlich einem Munde entfloss …
    Nachtdurch heimwärts getrieben ward zum Bettpfuhl: Lieg wach!

75
    Nacht lässt schluchttief ins Nichts stürzen: Kai träumt schwarz. Morgens erwacht: Nacht hat Furcht gefressen. Leichter regen sich Glieder. »Was fürchte ich …?«
    Lämmerwolke am Himmel lockt weißglänzig Hoffnung. »Alles wird gut … Schulhof … Hand auf die Schulter dem Arne … Tiefblick des Freundes: ›Du hältst aus, nicht?‹ – ›Halte aus.‹ … Heimgang. Ilse. Ratloses Suchen ein letztes  Mal: nichts … Dann kommt Versanden, Tag stuckert Tag, Alltag, Allermanns-, Allerdings-Tag: wer soll noch suchen?«
    Freudige Schleife wippt schmetterlingshaft am Kragen.
    Hand auf die Schulter? –: »Arne nicht da? Arne krank! Oder …?«
    Wieder! Wieder! Wieder beginnt Summen neu, Kopf dröhnt. ›Arne nicht da? Alles kommt anders, und nur der letzte Punkt … bleibt der?‹
    »Arnebruder! – Arne?«
    »… ist krank!«
    »Richtig …?«
    »Richtig! Liegt in der Baba!«
    Jungenshand zwängt Kai in seine. »Sag’s ihm, Willi, vergiss es nicht! Sag’s Arne, dass er nichts tun sollte, nichts , ich käme …«
    Nickt der andre. Kai sieht ihn laufen, haschen, nach demBall die Glieder gehetzt. »So klein! So wichtig! Wird er nicht vergessen?«
    »Wer widersteht Sonne? Ich nicht. Glanz um Glanz auf mein Haupt, Wärme die Handhaut geleckt, – darf ich nicht froh sein, alles wird gut?«
    Langsam doch zieht er Fuß um Fuß treppauf, lange steht er am Schild, blickt: nun kennt er’s. Kurze Spanne, seit er zuerst …
    Klingelschlag. Zögerschritt in Raschelrock, Türloch-Durchguck – welch strenges Auge! –, langsam weicht das gekehlte Holz: Ilse vor Kai.
    Blick …
    »Gab es je Sonne? Fort von hier, fort! Wieder neu! Nichts ist zu Ende. Nichts endgültig, ehe nicht Kieferngestrüpp mir die Stirn kratzt. Hoffnung? Blöder, fort! Was willst du hier? Fort! Zittre nicht, fort! Achte nicht Ilses, fort! Vier Stufen, fünf Stufen, zehn Stufen auf einmal – fort, nur fort!«
    »Komm, Kai …«
    Steht, blickgefangen. Müde würgt Kehle, die sich dreht; steht; wendet Hand um Hand; fühlt Angst sickern; Ohrgesause; steht; ruhegelüstig, doch gepeitscht; bitter-lippig; Hirn brennt Augennerv ab; steht und blickt …
    Mädchenblick, Liebesblick, Trauerblick …
    »Komm, Kai …«
    Zimmer, leer. Setzt sich. Sie raschelt hinter ihm. Kai starr vor sich.
    »Was kommt …?«
    »Ende! Nur Ende!«
    Plötzlich schwillt seine Zunge, gleich gepresstem Schwamm tropft der Gaumen, Achselhöhlen triefen, perligkitzelt Feuchte die Kehle der Knie und in den Augen drängt es, erweiternd – kommen Tränen? –, da tiefgesogener Atem die Brust hebt, die Gurgel stößt und wie Seufzer nun ist, lautloser, den die weichenden Lippen entstreichen lassen –
    Doch kühlende Binde gleitet von hinten über glühende Stirn, brennende Augen; jungmädchenweicher Handgriff schließt Welt ab, und wie Regen, kühlender Regen, dringt ihr Schmiegen an sein Hirn, sein Herz; lösend, wortlos Krampfiges lösend …
    »Heimkehr verlorenen Sohns? –
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