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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman
Autoren: Hans Fallada
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doch, was er sagt! Kommen Sie, he, ich bin bereit!«
    Und ließ den Arm fallen, sah starr vor sich, da in das Verstummen hinein, in die einbrechende Stille aller Atem wie Wasser floss und die Blicke zaudernd wurden, von allen die Blicke zögerten …
    Und endlich die Mutter: »Gehen Sie, Herr Schaffner, dass einmal Ende wird.«
    Ging. Drückte Ilses Hand, mutsicher, dass zages Lächeln glomm und ihr Blick ihm dankte. Trat vor Frau Lorenz: »Gnädige Frau …?«
    Und als sie nicht zuckte, nicht die Hand zum Gruß hob, zwang er auch sie, Stärke strahlte er aus:
    »Auf Wiedersehen, gnädige Frau!«
    »Auf Wiedersehen, Herr Goedeschal.«
    Drinnen schrie’s: »Nie!«

77
    Diese dunkle Treppe, breit, flachstufig, ist Kai oft gestiegen, bitter im Herzen, weil er schwächer war als Arne um größerer Liebe willen. ›Wie viel Vernachlässigung! Wie oft Verabredung von jenem versäumt! Nun wird er’s gutmachen, aufeinen Strich alles, und ich werde ihm ganz gehören, da er mich neu leben lässt. Rasches Wort, ehe Schaffner spricht, geflüstert …‹
    »Noch eine Treppe, Herr Schaffner. Ganz unterm Dach. Köstlicher Blick!«
    Lacht, ärgert sich dessen, und das Dienstmädchen sagt: »Herr Arne? Ist da. Bitte sehr.«
    Hat gehofft! Weiß: hat gehofft: Arne nicht da! Nun doch! Und so schnell ist Schaffner dem Mantel entschlüpft, Möglichkeit nicht, vorauszuhuschen ins Zimmer, rettendes Flüsterwort …
    »Ah, guten Tag, Herr Schaffner! Guten Tag, Kai!«
    Händedruck. Besinnlich liegt in den Kissen das Haupt, Stirne glatt, und nun sinken die Lider, da Schaffner spricht: »Verzeihen Sie diesen Besuch. Umstände …«
    Handbewegung.
    »Herr Schütt! Ja oder Nein meiner folgenden Frage! Ihr heiliges Ehrenwort bürgt mir …?«
    Und kaum merklich senkt Arne die Stirn.
    »Ich danke Ihnen. – Herr Schütt! Im Namen der schwergetroffenen Familie Lorenz frage ich Sie hierdurch: kennen Sie den Schreiber der anonymen Briefe?«
    Schweigen.
    Und ihm enthebt Kai hinter dem Rücken Schaffners hervor sein Antlitz, wirft es auf Arne, äußerstes Flehen, was Natur gab, verkrampft: Leben, Sonne, Tod, Kampf, Reue, Bitten, Demut – stürzt sich ihm zu, lippenbebend: ›… Arne …! … Arne!‹
    »Herr Schaffner! Nein!«
    Das ist Einsinken, Vollwerden, Ruhegang; auch Jasmin, sommers.
    Fällt zusammen.
    »Guten Abend, Herr Schütt. Guten Abend, Herr Goedeschal. Das Weitere …«
    Und nun die Tür und die andere Tür und jetzt Regung, Hinsturz, Dank, Schluchzen, Hand gefeuchtet. »Arne … Arne …«
    Und er: »Schwein hast du gehabt, Kai, maßloses Schwein! Schreiber der Briefe? Kenne ich nicht! Hätte er anders gefragt, so hätte ich …«
    Blick Kais starrt …
    »… hätte gemusst! Heiliges Ehrenwort!«

78
    »Könnte ich schlafen!«
    Hob aus den Kissen den Kopf, lauschte: Schritt schien zu sein noch draußen, tastender. Stimmen? Nein, nichts, nur Raschelgeräusch von Mäusen oder ein Stuhl knackte, ein Tisch …
    Sank zurück, ging wieder alten Weg: Rettung – Arne – Verrat – Brief – Schirmer –.
    »Am Ende ist’s gleich, warum Arne verneinte: ich bin gerettet!«
    Strich ein Streichholz: kaum weiter die Zeiger.
    »Wär es erst Morgen. Ich bin ja gerettet, nur die Nacht noch ist schlecht …«
    Ruhte sich ein, – doch ein Ratloses schien die Glieder zu durchlaufen, so zuckten sie in den Laken. Brannten die Schläfen, riss Eis Risse am Fuß, erstarrte die Finger.
    »Ein Ende …!«
    Tastete sich hoch, lief im Dunkel. Lauschte zum Bruder, nebenan in der Stube. Zu ihm: »Kurt …?«
    »… was … was ist …? Schlafen …«
    Stille. Rastatem. Ruhe.
    Lesen? Licht brannte. Seite glitt um. – »Und Arne?« – Ertappte sich, stellte den Band zurück, ordnete …
    »Ein Ende …!«
    Riss das Tagebuch aus der Lade, schrieb: »Endlich gerettet. Beruhigung bringt auch jener morgige Tag ohne Briefe …«
    Wusste: es war so! Schrieb nicht mehr. Blätterte. Fing Worte, hie und da: »Habe ich sie einmal geliebt? Nie …?«
    Am Fenster. Kaum sah er die Büsche des Platzes. Nässe troff. Die Schuppen standen, körperlos. Wollte weinen, zwang sich, ein Tuch –: konnte es nicht …
    »Ein Ende …!«
    Und stand heiß, flammend vor dem Gedanken … Fluchteilig hob er den Fuß, doch verharrte … Sann tief, anderes. Rückgekehrt sah er ihn lockend wie vorher; wurde schwer plötzlich, taumelig, griff zum Sesselrand.
    »Ich tue es!«
    »Nein!«
    »Sonst nimmt Nacht nie Ende.«
    »Nein, darfst nicht …«
    »Tue es …«
    Dachte: »Komödie, das!«
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