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Der junge Goedeschal - Roman

Der junge Goedeschal - Roman

Titel: Der junge Goedeschal - Roman
Autoren: Hans Fallada
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fliegenden Händen und Kleidern; eine Zopfschleife löste sich, fiel. Über dem leuchtenden Seidenband drehte Kai knackend den Hacken, dass der Stoff berstend riss.
    »Arne …«
    »Dort erst, auf der Bank …«
    Sie saßen. Weicher Schein schon schien Umriss der Äste zu mildern. Eine Amsel lockte, immerzu. Die Welt sehnte Frühling. Und da Kai, nun die Worte Arnes angstvoll erwartend, schnelleres Klopfen des Herzens spürte, stieg noch einmal quellend die Angst, ob er noch Gefährte von Fliedergehänge, schreiendem Lerchenstand über schnittreifem Roggen, ob er noch gehen würde im Abenddämmern, Schule hinter sich, am Flussrand zur Schenke, zwischen schattenden Büschen, den Schritt gewiegt nach melancholischen Liedern oder schneidendem Rudereinsatz?
    »Arne …«
    Schwieg jener.
    »Arne … bist mein Freund … du vor allem musst helfen. Dieses Leben … ich kann nicht weg!«
    Aber Schweigen stand, und spürend ahnte Kai wehrende Härte, auf sich beharrend. Enger Zirkel. ›Wo, Bruder, deine Hand? Helfers Hand? Freundtreue Hand?‹
    »Arne …«
    Langsam, erst ein Schlucken, dann sprachen bebende Lippen krampfhaft klar, trotzig, entrüstet: »Heute kamen drei Briefe an Lorenz, einer dem Vater, einer der Mutter, einer Ilse …«
    Schlag lähmte, streckte die Glieder, verzerrte sie. Weltbarst. Und das Herz spülte, hohnvoll spülte Angst um Angst im Hirn. Und Fingergehaspel. Die Sohle krümmte sich im Schuh. Krampf schüttelte die Wade.
    Schneller sprach jener, verwaschen: »Und gestern Briefe und vorgestern Briefe, jeden Tag, beinahe mit jeder Post, mehr denn je, schmutziger denn je. Irene sagte es … sie weiß es … wahnsinnig sind jene vor Wut … Reinheit des Hauses geborsten … Wie Flamme leckt Blick jeden Winkel, schlägt die Bettdecke zurück, entblößt Leiber, selbst der Mutter nicht, nicht der Schwester gezeigt …«
    Schwieg, da Kais Tränen stürzten: ratlose Tränen, wütende Tränen. Faust ballte zum Himmel: »Jener dort tut’s. Ich nicht. Wie hat er mich gejagt! Er hasst mich. O Arne, mein Arne, ich habe es nicht getan, keine Briefe mehr habe ich geschrieben seitdem, nichts …«
    »Ka…!«
    »Glaube es doch! Einmal glaube doch! Warum sollte ich denn? Ich müsste ja sterben dann, weg sein; begreif es doch: nicht mehr da sein. Und kein Mädchen habe ich geküßt, nie. Ich kann doch nicht fort. Ich habe doch noch zu tun. So vieles. Die Wege – und dann der Sommer, immer dort wollte ich dann den Weg zwischen den Birken schon gehen, niemals Zeit; soll ich ihn nie gehen? Lass mich doch hier! Sag: es ist nicht wahr. Ich darf leben, nicht wahr, mein guter Arne, ich darf leben? Sieh, deine Knie fasse ich um …«
    »Steh doch auf, Kai … ich glaube dir ja … die Leute sehen schon her … nein, sei still, so, setze dich her … Wie? Was meinst du? – Ja, den Birkenweg sollst du gehen, und so viele Mädchen … sei nur jetzt ruhig …«
    Stiller ging Weinen, schlief ein, aber der belebte Blick erstarrte, Suchen kam neu, Zweifel, Wissen von Ohnmacht, fruchtlosem Kampf Unbekanntem gegenüber.
    ›Ist es wahr, was Arne erzählt? Schrieb ich sie nicht? Im Schlaf? Vielleicht doch? Und soll zahlen dafür? Dafür! Oder Hans …? Wie sollte er …?‹
    »Wer sagte das mit den Briefen, Arne?«
    »Irene.«
    »Und so viele …?«
    »Ja … Sie haben mich gebeten … ich soll heut hinkommen. Ich muss dann auch gehen …!«
    »Du sollst hinkommen?«
    Sank grübelnd zusammen; – dann ging Licht auf! Wandte das Gesicht, sprach: »Sieh, Arne, Wahnsinn wäre das gewesen, unbegreiflicher, mit den Briefen … Die ich nicht schrieb! Aber ich will dir es sagen, leise, rück näher: Sie haben gar keine Briefe mehr bekommen, sie wollen dich täuschen …«
    »Aber warum?«
    »Sie haben dich in Verdacht! Sie wollen sehen, ob du dich nicht verrätst! Deshalb bestellen sie dich auch …«
    »Das kann sein. Ist nicht unmöglich. Aber warum mich im Verdacht?«
    »Weil du der Einzige bist, der noch bleibt. Das heißt natürlich: scheinbar!«
    »Aber das geht nicht! Ich im Verdacht! Was soll Irene denken! Ich muss aufklären …!«
    »Arne!«
    »Ja doch! Natürlich, das ist schlecht. Aber du verstehst, dass auch ich nicht …« Senkte den Blick vor brennender Angstfrage des andern; zuckte die Achseln dann. »Natürlich wird sich ein Weg finden. Ich werde dich schonen, bestimmt. Trotzdem es nicht leicht sein wird.«
    »Du wirst nichts verraten, nicht wahr. Arne? Auch mich nicht?«
    »Nein, nein! Du bist mein Freund, aufrichtig,
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