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Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Titel: Der Junge, der mit den Piranhas schwamm
Autoren: Ravensburger
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in der ersten Reihe stehen. Da sind der Ebermann und die Frau mit den Dracula-Zähnen, da sind Kitzel-Peter und Herr Smith und Seabrook. Da sind die Leute, mit denen Stan am Feuer gesessen und gebackene Kartoffeln gegessen hat, und die Kinder, mit denen er gesprochen hat. Und die Leute, denen er zugewinkt und die er gegrüßt hat, wenn sie nach ihm riefen. Und da sind die Zuschauer: all die Menschen, die ihm zusehen und ihm Glück wünschen.
    Jetzt wollen wir einen Blick auf die mit Schlaglöchern übersäte Straße werfen – und da kommen sie schon! Sie stolpern Hand in Hand voran, diese beiden, die ihn von Anfang an liebten und die unbedingt rechtzeitig ankommen müssen, um seine Vorstellung mitzuerleben: Annie und Ernie. Sie gehen auf die Lichter zu, auf die Musik, die Schreie und das Lachen, das durch die Nacht schallt.
    „Das ist ein Jahrmarkt“, sagt Annie.
    „Sieht ganz so aus“, sagt Ernie.
    „Ich liebe den Jahrmarkt“, sagt Annie. „Und du mochtest ihn früher auch. Weißt du noch?“
    „Ich erinnere mich“, sagt Ernie traurig und denkt an den Jahrmarkt, der am Tag von Stans Verschwinden seine Zelte abgebaut hat.
    Annie drückt seine Hand. „Dort war es doch immer schön, nicht wahr?“, sagt sie. „Als wir noch jung waren, da sind wir Berg-und-Tal-Bahn gefahren, haben Plastikenten geangelt und Preise gewonnen. Und wir haben uns von der Wahrsagerin unsere Zukunft voraussagen lassen.“
    „‚Sie werden ein junges hübsches Mädchen kennenlernen‘, hat die Wahrsagerin zu mir gesagt. Und das stimmte. Das warst du.“
    „Und zu mir sagte sie, dass ich einem großen, gut aussehenden jungen Mann begegnen würde. Und das stimmte auch. Das warst du.“
    Ernie lächelt und seufzt. „Und sieh nur, wohin ich dich gebracht habe, mein armer Liebling.“
    „Mach dir keine Sorgen. Es wird alles gut werden“, sagt Annie.
    „Meinst du?“, fragt Ernie.
    „Ja, ganz bestimmt“, sagt eine Stimme hinter ihnen. „Solange ihr im Herzen gut und treu seid.“
    Sie drehen sich um, und da steht Wahrsager-Rosi, vom Mond und den Lichtern des Jahrmarkts beschienen. „Habt keine Angst“, sagt sie leise. „Ich bin nicht gefährlich.“
    Annie tritt näher.
    „Ich bin Wahrsager-Rosi“, sagt die Frau.
    „Tatsächlich!“, ruft Annie aus. „Die Wahrsager-Rosi, die ich auf dem Jahrmarkt traf, als ich ein junges Mädchen war! Aber das ist doch nicht möglich.“
    Wahrsager-Rosi lächelt. „Nein, das ist nicht möglich“, murmelt sie. „Oder doch? Das ist bestimmt eine Illusion des Mondlichts. Habt ihr ein Silberstück, das ihr mir in die Hand legen könnt?“

    „Wir haben nur noch ein paar Kupfermünzen“, sagt Ernie. Auch er betrachtet Wahrsager-Rosi aufmerksam: ihr Gesicht, ihre Gestalt, ihre Kleider. Er lauscht ihrer Stimme. „Sie sind es wirklich!“, flüstert er. „Aber das ist doch nicht möglich!“

    Wahrsager-Rosi lächelt wieder. „Dann soll das Mondlicht euer Silber sein.“ Sie öffnet die Hand und lässt ihre Handfläche vom Mond bescheinen. „Ich danke euch“, sagt sie. „Jetzt gebt mir eure Hände und lasst mich hineinsehen.“
    Sie nimmt ihre geöffneten Hände. Sie sagt Annie und Ernie, dass Mondlicht das reinste und wahrhaftigste Wahrsagelicht ist. Beide betrachten die Furchen und Rillen, Erhebungen und Wölbungen.
    „Oh, ihr habt schwere Zeiten hinter euch“, sagt Wahrsager-Rosi. „Zeiten voller Aufruhr und Verlust und Schmerz.“ Ihr Gesicht wird traurig und sie stöhnt enttäuscht auf. Dann blickt sie Ernie an. „Ach, Ernest“, seufzt sie.
    „Ich?“, fragt Ernie.
    „Du warst nicht immer der Mensch, der du hättest sein sollen.“
    „Aber er ist ein guter Mensch“, sagt Annie.
    „Wirklich? Kann er ein guter Mensch sein, bei dem, was er getan hat?“
    „Ja“, sagt Annie. „Und er hat seinen Irrtum eingesehen.“
    „Tatsächlich?“
    „Ja. Er war nur für eine Weile … ein bisschen wahnsinnig. Nicht wahr, Ernie?“
    Wahrsager-Rosi betrachtet ihn aufmerksam. „Nun?“, sagt sie.
    „Es stimmt“, sagt er. „Ich bin vom rechten Weg abgekommen. Ich habe mich verirrt auf der Suche nach Ruhm und Reichtum.“
    „Es gibt Wahnsinn und Wahnsinn“, sagt Wahrsager-Rosi. „Der eine Wahnsinn tut Böses, aber es gibt auch Wahnsinn, der Gutes tut.“ Sie schaut wieder in Annies und Ernies Handflächen. „Ihr seid auf der Suche nach etwas. Oder nach jemandem. Habe ich Recht?“
    „Wir hatten einen Jungen“, sagt Annie. „Einen Jungen mit Augen so klar wie Wasser und einem
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