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Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Der Junge, der mit den Piranhas schwamm

Titel: Der Junge, der mit den Piranhas schwamm
Autoren: Ravensburger
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noch nie erlebt hätten.
    Ernie heulte und klagte und stöhnte seit Wochen. Jetzt seufzte er. Er grunzte, fluchte und spuckte aus.
    „Die Welt ist bekloppt geworden!“, brüllte er in den Wind. „Sie ist total übergeschnappt!“ Er stampfte mit dem Fuß auf. Er schüttelte die Fäuste in den Himmel. „Aber mich werdet ihr nicht unterkriegen!“, schrie er. „Oh nein, Ernest Potts könnt ihr nicht brechen!“
    Er schaute an der alten Werft vorbei, wo sich der Fluss in das silbrig schimmernde Meer ergoss. Ein Kutter kam dort gefahren. Er war rot und wunderschön und ein Schwarm Möwen umkreiste ihn. Herrlich sah er aus, wie er da im Sonnenschein glänzte und auf den Wellen schaukelte. Das Schiff war wie eine Vision, etwas, was aus einem Traum in die Wirklichkeit gefahren war. Ein Geschenk, ein süßes Versprechen. Der Kutter legte am Kai an. Ein riesiges Netz voller prächtiger silberner Fische wurde entladen. Ernie schaute die Fische an, und plötzlich war ihm alles klar.
    „Das ist die Antwort!“, rief er.
    „Was ist die Antwort?“, fragte Annie.
    „Was ist die Frage?“, wollte Stan wissen.
    Aber zu spät. Ernie war schon weg. Er sauste hinunter zum Kai und kaufte ein paar Pfund Flundern. Er sauste nach Hause und setzte den Topf auf den Herd, um die Flundern zu kochen. Er holte seine Schubkarre und sauste zurück zu Annie und Stan, die immer noch am Ufer standen. Dann lud er ein paar alte, ausrangierte Blechplatten in die Schubkarre.
    Annie und Stan trotteten neben ihm her, als er schwankend mit der Schubkarre wieder nach Hause lief.
    „Was machst du da, Ernie?“, fragte Annie.
    „Was machst du, Onkel Ernie?“, wollte Stan wissen.
    Ernie zwinkerte ihnen nur zu. Er lud das Blech im Garten ab. Er klappte den Werkzeugkasten auf und holte sein Schneidewerkzeug und den Schweißbrenner, seine Zangen und den Hammer. Und dann machte er sich an die Arbeit. Er schnitt die Blechplatten auseinander, bog, schweißte und hämmerte sie zu einer runden Form.
    „Was machst du da?“, fragte Annie wieder.
    „Was machst du, Onkel Ernie?“, wollte auch Stan erneut wissen.
    Ernie schob den Gesichtsschutz auf den Hinterkopf. Er grinste. Er zwinkerte. „Ich verändere die Welt!“, sagte er. Dann machte er sich wieder an die Arbeit.
    Eine halbe Stunde später hatte er seine erste Dose hergestellt. Sie war schwer und verbeult, rostig und schief, aber es war eine Dose. Wiederum eine halbe Stunde später hatte er die gekochten, matschigen Flundern hineingeschüttet und einen Deckel aufgeschweißt. Mit einem Filzstift schrieb Ernie auf die Dose: Potts’ Plattfische .
    Er stieß die Faust in die Höhe und vollführte einen kleinen Tanz. „Es funktioniert!“, rief er aus.

    Annie und Stan betrachteten die Dose. Sie schauten in Ernies kugelrunde Augen. Ernies kugelrunde Augen schauten sie an.
    „Wir haben noch einen langen Weg vor uns“, sagte Ernie, „aber es funktioniert, absolut und ganz ohne Zweifel.“
    Er räusperte sich. „Die Zukunft dieser Familie“, verkündete er, „liegt in der Fisch verarbeitenden Industrie!“
    Und das war der Beginn von Ernies großartigem Unternehmen: Potts’ salzige Sardinen, Potts’ mundgerechte Makrelen und Potts’ perfekt portionierte Plattfische .

Zwei
    Ernie schweißte und hämmerte und nagelte, er bohrte und schraubte. Er riss Wände nieder und Fußböden heraus. Er zog ein ganzes Netz aus Schläuchen, Rohren und Kabeln, aus Rinnen und Abflüssen durchs Haus. Seine Maschinen wuchsen und wuchsen und wuchsen, bis sie sich in jedem Flur und jedem Zimmer breitgemacht hatten. Rohre und Kabel verliefen unter allen Böden und in den Wänden.
    Das Haus zuckte und erzitterte beim Gebrumm der Motoren, beim Schnappen und Schnippeln der Kopfabschneider und Messer, beim Surren und Sirren der elektrischen Sägen, beim Schwappen des Spülwassers und dem Blubbern der großen Kessel. Und über all den Lärm hinweg ertönten Ernies aufgeregte Rufe.
    „Arbeitet schneller! Arbeitet härter! Oh, meine wunderbaren Maschinen! Oh, wie ich sie liebe! Fische Fisch Fische FISCHE ! Maschinen Maschinen Maschinen MASCHINEN !“
    Jeden Morgen lieferten Lastwagen große Wannen voller Fische an die Vordertür. Jeden Abend holten Lastwagen kistenweise Fischkonserven an der Hintertür ab. Das Geschäft blühte. Die Kassen klingelten. Ernie war kein entlassener Werftarbeiter mehr. Er war ein Geschäftsmann, ein Unternehmer. Sein Betrieb wuchs wie ein lebendiges Wesen.
    Nachts schlief Stan in seinem
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