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Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs

Titel: Der Jesus vom Sexshop: Stories von unterwegs
Autoren: Helge Timmerberg
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Muselmanen.
     
    Der letzte Punkt war im Grunde die Führerscheinabschlußprüfung, während ich mir bei Punkt eins und zwei nicht wirklich sicher bin, ob die Reihenfolge stimmt. Es könnte durchaus sein, daß ich zuerst gekifft habe und dann von der Straße abgekommen bin. Denn unser Chef, der Afghane, hatte nicht nur in Teheran seine Bestände an Suchtgiften aufgefüllt, sondern fuhr neuerdings auch gern mit mir und nicht mehr in dem einzigen Pkw der Karawane, was ihm anfangs wohl standesgemäßer erschienen war. Aber ein Bus ist ein Bus, vor allem wenn man fünfzig Plätze für sich hat plus eine Rückbank, auf der man ausgestreckt liegen kann, um den generalüberholten Dieselmotor schnurren zu hören. Er fuhr also mit mir, und bei dem Haschisch, das wir rauchten, handelte es sich um Ware aus seinem Heimatland. «Schwarzer Afghane» aber ist eine Sorte, die vorsichtig konsumiert gehört, wenn man nicht mit ihr aufgewachsen ist. Was also tun, wenn man von der Piste abkommt und die Hinterräder im Treibsand durchdrehen?
     
Zweiten Gang rein und Kupplung gaaaanz langsam kommen lassen? (Brachte nichts.)
Den Afghanen vor die Räder legen, damit sie Halt finden? (Machte er nicht.)
Den Afghanen schieben lassen? (Schaffte er nicht.)
Den Afghanen in der Pfeife rauchen? (Richtige Antwort.)
     
    Wir warteten, bis am Horizont eine klitzekleine Staubfahne auftauchte, die zur Staubwolke anwuchs und größer und größer wurde, bis sich endlich ein befreundeter Hanomag mit Abschleppseil aus ihr herausquälte. Problem gelöst! Problem? «Stoned im Treibsand» gehört nicht in die Kategorie Probleme. Es brauchte noch ein paar Tage, bis ich wirklich eins hatte.
     
    Die Wüste Kavir, die wir so unverdrossen durchquerten, wird im Osten von einem Gebirgszug begrenzt, der sich in diesem Abschnitt als besonders unwegsam erwies. Unwegsam, weil die Steigung selbst Bergziegen Mühe macht. Das war noch immer nicht das Problem. Das kam erst, als es wieder abwärts ging. Zwanzig Prozent Gefälle, ununterbrochen über siebenhundert Meter, und das so schnurgerade, daß die Angelegenheit mehr einer Rampe als einer Straße glich. Und wenn man heruntergeschossen war, knickte das Ganze in einem Winkel von neunzig Grad sauber nach rechts ab, um einem Felsen auszuweichen.
    Ich erwähnte bereits die Eigenart der Bremsen. Zweimal pumpen, bevor sie beim dritten Mal greifen. Warum ich ausgerechnet hier dreimal pumpen mußte, weiß nur Gott allein. Es kann auch sein, daß sie beim dritten Mal gegriffen haben, aber so, daß es mir nicht auffiel, weil die Bremsbeläge von den rasenden Rädern wie Schimmelkäse angenommen wurden. Dreimal, viermal, fünfmal, dann ließ ich das Pumpen sein und begann so überzeugend zu schreien, daß sich der Afghane wie vom Blitz getroffen von der Rückbank auf die Knie warf und meine Flüche mit einem Stoßgebet begleitete. Alles klar. Allah ist groß, Allah ist mächtig, doch auch die Wirkung der Handbremse blieb eher klein und schmächtig, und so geschah, was ich kommen sah: Ich kriegte die Kurve nicht.
    Der Rest der Fahrt ist schnell erzählt.
    Wir waren offensichtlich nicht die ersten und vermutlich auch nicht die letzten, denen hier die Bremsen versagten, denn man hatte vor dem eigentlichen «Schluß-mit-lustig-Felsen» in einem Abstand von rund zwei Metern Steinsperren aus losem Geröll aufgeschichtet, jede gut ein bis anderthalb Meter hoch. Durch die erste bretterten wir, als wäre sie Fliegendreck, aber nach der vierten hatten wir genügend Schwung verloren, um den Aufprall am Felsen zu überleben. Ohne Brüche, ohne Blutverlust. Nur dem Bus ging’s ziemlich schlecht. Vorderachse gebrochen, Radlager geborsten, Lenksäule verbogen, Karosserie verzogen, Scheinwerfer zersplittert, und im hinteren Teil des Busses ein Loch im Boden, das so groß wie eine Waschmaschine war.
    Das Wunder in der Werkstatt. Man schleppte den Bus in die alte Pilgerstadt Meschhad, und die persischen Kfz-Mechaniker zeigten uns, was man macht, wenn es keine Ersatzteile gibt. Die Werkstatt sah wie eine Schmiede aus. Selbst Schrauben haben sie aus herumliegendem Eisen geformt, und schon drei Tage später war diese Fusion eines Mercedes mit dem Schrott der hindukuschnahen Welt wieder fahrbereit. Eine Mutation, ein Persedes, und alles wäre o.   k. gewesen, hätte sich nicht plötzlich ein Polizist mit ausgebreiteten Armen vor mir aufgestellt. Solche Penner gibt es überall. Sie haben zu Hause nichts zu sagen und machen deshalb draußen den dicken
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