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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Linda Budinger
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Geschenkeladen. Kurz darauf stand er mit einem Strauß Blumen vor Shultz’ Zimmer, das seinem direkt gegenüberlag, und klopfte.
    Niemand antwortete. Die Tür war abgeschlossen.
    Auf dem Rückweg begegnete Cotton Mrs Kelly.
    Er stellte sich so in den Gang, dass er ihr mit dem üppigen Bukett den Weg versperrte. »Wie geht es Ihnen nach dem aufreibenden Nachmittag?«, fragte er. »Ich hoffe, es ist alles in Ordnung.«
    Die alte Dame kniff die Augen zusammen. »Was sollte nicht in Ordnung sein?«
    »Sie waren doch auch bei der Madentherapie. Und nach dem, was dem armen Shultz passiert ist …«
    »Was ist denn passiert?«, fragte Mrs Kelly und schaute skeptisch.
    »Es gab ein Problem mit den Maden. Dr. Carter hat mir jedenfalls den Bio-Bag entfernt.«
    »Shultz hatte eine Allergie. Das ist in erster Line sein Pech.«
    »Sie hatten also keinerlei Beschwerden?«, bohrte Cotton nach.
    »Ich bin gesund wie ein Pferd. Abgesehen von diesem Aufenthalt hier habe ich keinen Tag meines Lebens in einem Krankenhaus verbracht.«
    Auf diese resolute Antwort fiel Cotton keine passende Erwiderung ein. »Ich dachte nur …« Er streckte ihr den Blumenstrauß entgegen, doch die alte Dame war immun gegen diese Art der Bestechung.
    »Sie machen sich zu viele Sorgen. Das ist nicht gesund für einen Mann Ihres Alters. Wenn Sie es genau wissen wollen, Mr Mitchell: Mir hat der Arzt statt der Maden jetzt Apitherapie verschrieben. Das wird sicher ein Honigschlecken! Guten Abend.«

5
    Mittwoch, 16. Juli, Belfort-Privatklinik
    Das Erste, was Cotton am nächsten Morgen sah, als er zum Frischluftschnappen in den kleinen Park ging, war der Leichenwagen vor dem Hintereingang der Klinik. Eine geschlossene Bahre wurde in den Wagen verladen, begleitet von einem bleichen, übernächtigt aussehenden Dr. Carter, der noch eine Unterschrift auf die Begleitpapiere setzte und dann wieder im Gebäude verschwand.
    In diesem Augenblick wusste Cotton, dass Shultz nicht mehr lebte.
    Schon als Shultz auch am Morgen nicht in seinem Zimmer gewesen war, hatte sich in Cottons Magengrube ein mulmiges Gefühl ausgebreitet. Das hier war eine Rehaklinik für mindere chronische Leiden. Lebensbedrohliche Akutfälle wurden hier gar nicht behandelt, und es gab nur eine kleine Station für Notfälle.
    Cotton eilte zur hinteren Tür, doch die war bereits wieder verschlossen und hatte außen keine Klinke.
    »Wohin bringen Sie Mr Shultz?«, fragte er den Fahrer des Leichenwagens.
    »Tut mir leid, darüber darf ich keine Auskunft geben.«
    Cotton sog die Luft zwischen den Zähnen ein und winkte ab.
    Jetzt hatte er die Bestätigung.
    Shultz war tot.
    Etwas stank hier schlimmer als Madenfutter.
*
    Cotton passte den Arzt noch vor dem Schichtwechsel ab. »Dr. Carter, ich mache mir große Sorgen um Mr Shultz. Gestern ging es ihm wirklich schlecht, nicht wahr?«
    In Carters Augenwinkel zuckte ein Muskel. Der Arzt hob die offenen Handflächen. »Es gab Komplikationen, das war nicht vorauszusehen.«
    »Und nun ist er tot, nicht wahr?«
    »Woher …«, fuhr Carter auf. Dann verschloss sich seine Miene. »Das ist eine interne Angelegenheit der Klinik. Wenn Sie kein Angehöriger des Patienten sind, bin ich an die Schweigepflicht gebunden.«
    »Sie können seinen Tod doch nicht einfach vertuschen und …« Cotton bremste sich rechtzeitig. Er besaß hier keinerlei Befugnisse. Aber wenn irgendetwas im Argen lag, hatten die Patienten das Recht, davon zu erfahren.
    Doch Cottons Vorpreschen hatte dem Arzt Gelegenheit verschafft, sich zu fangen. »Es tut mir leid, wenn es da Missverständnisse gab«, sagte Carter betont freundlich. »Ich verspreche Ihnen, es wird eine offizielle Erklärung geben, sobald die Angelegenheit untersucht worden ist. Der Leichenbeschauer ist bereits informiert. Wir regeln das intern.« Er wandte sich zum Gehen. »Kommen Sie doch am Nachmittag in meine Sprechstunde, damit wir den weiteren Behandlungsplan durchgehen können.«
    »Ich werde da sein«, sagte Cotton und machte sich nicht die Mühe, den drohenden Unterton in seiner Stimme zu verbergen. Er hatte Witterung aufgenommen, und so rasch wurde man ihn nicht los.
    Warum diese Geschichte mit der angeblichen Allergie, wenn die Schwestern etwas von aggressiven Maden wussten? Er musste auf eigene Faust herausfinden, was wirklich geschehen war.
*
    Cotton verbrachte den restlichen Vormittag im Kraftraum der Klinik. Er fühlte sich wie ein Tier im Käfig. Sein rechter Arm schmerzte. An Gewichte und Krafttraining war nicht zu
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