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Der Infekt

Der Infekt

Titel: Der Infekt
Autoren: Linda Budinger
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Cotton, hüllte sich aber in Schweigen.
    Carter war im Nu zurück und löste den Stoffstreifen von Cottons Arm.
    Die Wundränder leuchteten in einem aggressiven Rot. Die Wunde war geschwollen, und die schwarzen Nähte schnitten tief ins Fleisch. So schlimm hatte das gestern noch nicht ausgesehen. Der Gestank war übelkeiterregend.
    »Das kann so nicht bleiben«, bemerkte der Arzt. »Spüren Sie nichts?«
    »Doch«, gestand Cotton. Dabei hatte er heute eine Aspirin mehr eingeworfen.
    »Ich muss die Nähte leider wieder öffnen. Nur bis die Infektion abgeklungen ist.« Der Arzt trennte die Fäden mit einer winzigen Schere durch und zog sie heraus.
    Cotton traten beinahe die Tränen in die Augen.
    »Ich würde Ihnen empfehlen, die Larven direkt in die Wunde zu lassen«, sagte der Doktor nach einigen prüfenden Blicken. »Ich kann die Bio-Bags öffnen. Die Maden direkt an das Gewebe anzusetzen, wie bei Mrs Kelly und Mr Shultz, ist weit effektiver.«
    »Ich kann’s kaum erwarten.« Cotton seufzte.
    »Es ist seine erste Behandlung, Doc«, erinnerte Shultz. »Beim ersten Mal nehmen wir alle das Päckchen.«
    Der Arzt brummte irgendetwas; dann befeuchtete er einen der Beutel mit den Maden und platzierte ihn mittels einer Pinzette direkt auf der offenen Verletzung. Die Wunde war damit vollständig bedeckt. Den zweiten Gaze-Beutel ließ er unbenutzt liegen. »Das reicht fürs Erste. Sie werden sehen, morgen geht es Ihnen schon besser, und in vier Tagen wechseln wir den Bio-Bag.« Er befestigte den Beutel mit einer lockeren Bandage und wusch sich dann ausgiebig die Finger.
    »Wenn Sie einen Beutel Pinkies zu viel haben, nehme ich den gerne.« Shultz zwinkerte. »Ich möchte schließlich in drei Wochen auf eigenen Beinen zum Altar schreiten. Ich kann meine Verlobte nicht länger vertrösten. Hab lange genug auf den Termin in der Klinik warten müssen.«
    »Schauen wir doch erst einmal.« Der Arzt zog Handschuhe an, ehe er den Verband an Shultz’ Bein öffnete. Die Verletzung war großflächig und dreimal so lang wie Cottons Schnitt. Carter zog die zweite Metallschale heran, und unter dem Tuch kam ein gläserner Tubus hervor. Weißliche Maden ringelten sich darin und reckten aufgeregt die Köpfe, als der Arzt mit einem feuchten Spatel vorsichtig ein Tier herausholte.
    Abgestoßen und fasziniert zugleich sah Cotton zu, wie Carter Made für Made über den Edelstahlspatel in die kraterartige Wunde gleiten ließ. Die cremeweißen Tiere füllten schließlich die Verletzung aus wie eine Handvoll Reiskörner. Rasch waren auch sie mit einer Auflage bedeckt und mit Klebestreifen auf der Haut eingesperrt.
    »Und was ist damit?« Shultz wies auf eine briefmarkengroße, gerötete Stelle weiter oben, wo noch Läsuren zu sehen waren.
    Der Arzt schaute Cotton fragend an. »Wir haben heute keine weitere Madenbehandlung. Die Tiere im Bio-Bag können wir aus hygienischen Gründen nicht mehr zu den anderen tun. Sie müssten getötet werden.«
    »Bedienen Sie sich.« Cotton wedelte mit der Hand in Richtung des Gaze-Beutels.
    Carter versorgte Shultz’ Wunde mit dem Bio-Bag.
    »Seien Sie ganz beruhigt«, versicherte der Arzt Cotton beim Hinausgehen. »Sie werden allenfalls ein leichtes Kitzeln spüren.«
    *
    Cotton hielt beim Mittagessen Ausschau nach Shultz, doch er sah nur Mrs Kelly am Nebentisch. Das Essen war jedenfalls besser als in dem anderen Krankenhaus. Cotton ließ sich sein Steak schmecken. Es war so butterweich, dass er es kaum zu schneiden brauchte.
    Gut so – man hatte ihn angewiesen, den Arm zu schonen, damit die Maden ungestört ihre Arbeit erledigen konnten.
    Jaja, die lieben Tierchen. Cotton untersagte sich jeden näheren Gedanken daran. Am liebsten hätte er die Biester zerquetscht. Er bildete sich ein, ihre Beißwerkzeuge klappern zu hören, aber das war nur das Besteck seiner Tischnachbarn, die sich darüber unterhielten, wie schwierig es war, in der Belfort-Privatklinik einen Behandlungstermin zu ergattern.
    Cotton fühlte sich ein wenig schuldig wegen der Vorzugsbehandlung.
    Der silbergraue Chrysler war verschwunden, wie er wenig später bei einem Verdauungsspaziergang feststellte. Und so, wie die Anwesenheit des Fahrzeugs Cotton zuvor beunruhigt hatte, tat es nun dessen Abwesenheit. Ob es in der Klinik wohl einen Sicherheitsdienst gab?
    Zur Ablenkung setzte Cotton sich nach dem Mittagessen mit einer Zeitschrift auf die Sonnenterrasse und döste. Bilder von gigantischen fleischfressenden Würmern bohrten sich in sein Hirn.
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