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Der indigoblaue Schleier

Der indigoblaue Schleier

Titel: Der indigoblaue Schleier
Autoren: Ana Veloso
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regelrecht gegruselt.
    Amba schien seine diffusen Ängste nicht zu teilen. Sie bewegte sich mit großer Konzentration und vollkommen lautlos. Ihr Gesicht zeigte nichts als Entschlossenheit. Miguel hätte gern gewusst, wohin sie gehen wollte, doch er äußerte die Frage nicht. Sie würde sich schon eine Route ausgeheckt haben, die sie in Sicherheit brachte.
    Nachdem sie etwa eine Stunde gegangen waren, erreichten sie den Fluss. Amba steuerte geradewegs auf eine kleine Hütte am Ufer zu. Sie klopfte an die Tür, wurde eingelassen und kam wenig später in Begleitung eines älteren Mannes heraus. Sie sprach leise und schnell auf ihn ein und deutete hin und wieder auf Miguel. Schließlich winkte sie Miguel heran, der in einiger Distanz hatte warten müssen, und erklärte ihm: »Dieser Mann ist Fischer. Er wird uns ans andere Ufer des Mandovi rudern.«
    Und so geschah es. Auf der anderen Seite angelangt, drückte Amba dem Mann eine Münze in die Hand, die ungefähr dem Hundertfachen entsprach, was das Übersetzen mit der Fähre gekostet hätte. Danach wanderten sie erneut ein Stück durch einen Wald, bis sie endlich zu einer Siedlung gelangten, die Miguel kannte. Sie hatten die Stadt beinahe erreicht, denn Panjolim war einer der östlichen Vororte. Hier lebte Crisóstomos Familie, und hier hatte Miguel einst seinen treuen Panjo aufgelesen.
    Ab jetzt wäre es einfacher, sich vor Verfolgern zu verstecken, denn viele Leute waren schon auf den Beinen. Auch käme wahrscheinlich niemand auf die Idee, ausgerechnet hier nach ihnen zu suchen, während alle Wege von und zur Fähre sowie vom und zum Solar das Mangueiras bestimmt überwacht wurden.
    »Und nun?«, wagte Miguel erstmals nach Ambas Plan zu fragen.
    »Ich hatte eine Flucht für mich allein vorbereitet. In diesem Fall hätte ich mich als Dienstmagd verkleidet und mich auf einer Galeone gen Europa eingeschifft, wo mich angeblich eine neue Stellung erwartet. Was ich nun mit dir anstelle, weiß ich noch nicht.«
    »Ich weiß es aber. Lass uns in unser Kontorhaus gehen. Senhor Furtado wird uns helfen.«
    »Ich bin sehr skeptisch, was die Hilfe fremder Menschen angeht. Sie tun es nie umsonst, und sie sind nie in der Lage, Stillschweigen darüber zu wahren.«
    »Warte es ab. Du kennst Senhor Furtado nicht. Im Übrigen habe ich etwas, das ihm als Bezahlung mehr wert sein dürfte als hundert Edelsteine.«
    »Ach ja?«
    »Ja. Eine Information.«
    Amba dachte einen Moment über ihre Alternativen nach. Wenn dieser Senhor Furtado auch nur halb so gut war, wie Miguel zu glauben schien, dann wäre es vielleicht tatsächlich klüger, seine Hilfe in Anspruch zu nehmen. Miguel konnte in seinen zerknitterten Kleidern und ohne Gepäck nirgendwohin reisen, ohne Argwohn zu erregen. Und sie selber wäre in Miguels Gesellschaft wesentlich sicherer denn als allein reisende Dienstmagd. Aber – wer sagte ihr denn, dass Miguel überhaupt vorhatte, sie auf dem Weg nach Europa zu begleiten? Vermutlich schwebte ihm eine ganz andere Lösung vor.
    Sie hatten inzwischen das Gebäude erreicht, auf dem in großen Lettern der Name des Handelshauses Ribeiro Cruz & Filho prangte. Es herrschte dort um diese Zeit – es mochte vielleicht acht Uhr sein – allerdings noch nicht viel Betrieb. Das war gut, dachte Amba, denn so verringerte sich auch die Wahrscheinlichkeit, dass ihnen ihre Häscher hier auflauerten. Sie folgte Miguel in das Innere des Gebäudes. Wenig später klopfte er an eine Tür.
    »Was gibt es?«, hörten sie die unwirsche Stimme eines Mannes.
    Miguel grinste Amba an. »Gott sei Dank, er ist bereits da.« Er stieß die Tür auf und zog Amba an der Hand mit in den Raum, um die Tür sogleich wieder zu schließen und von innen zu verriegeln.
    »Senhor Miguel!«, rief Furtado überrascht.
    »Wie er leibt und lebt. Amba, dies ist der treffliche Senhor Furtado. Senhor Furtado, dies ist die berühmte Dona Amba.«
    »Sehr erfreut«, murmelten die beiden gleichzeitig und musterten einander verstohlen. Senhor Furtado war von der Schönheit der jungen Frau überwältigt, doch ihre grimmige Miene gab ihm zu denken. Diese Frau, die ihm skrupellos und verbissen erschien, hatte der junge Senhor Miguel auserwählt? Das konnte doch niemals gut gehen!
    Amba studierte Senhor Furtado mit ähnlich gemischten Gefühlen. Er war Inder, was Miguel mit keiner Silbe erwähnt hatte und was ein wenig der Anspannung von ihr nahm. Indern war immer noch eher zu trauen als Europäern. Allerdings gefiel ihr nicht, wie
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