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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman
Autoren: Christine Noestlinger
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noch lange wach im Doppelbett. Sie führten ein wichtiges Gespräch.
    Der Hund sagte: »Ich wollte doch nur helfen und nützlich sein und gebraucht werden.«
    Der Bär sagte: »Du hast ja auch geholfen und warst nützlich und bist gebraucht worden.«
    Der Hund sagte: »Und dafür werde ich nun verfolgt und steckbrieflich gesucht. Ich finde das sehr ungerecht.«
    Der Bär sagte: »Das kommt von der dummen Gesetzeslage. Man sollte Politiker werden und bessere Gesetze machen. Dann könnte es nicht geschehen, dass einer, der Gutes tut, dafür eingesperrt wird.«
    Der Hund sagte: »Lieber Freund! Nur nicht die Politik! Politik ist ein übles Pfui-Geschäft!«
    Der Bär sagte: »Lieber Freund, nun sei kein dummer Hund. Lass dir das an einem Beispiel erklären. Ich wollte immer den Kindern helfen und nützlich sein. Ich wollte immer, dass es die Kinder gut haben.«
    Der Hund sagte: »Darum bist du Lehrer geworden. Du warst den Kindern hilfreich und nützlich. Sie hatten es gut bei dir.«
    Der Bär sagte: »Schon, schon! Aber jedes Jahr war ich nur zwanzig Kindern nützlich und hilf reich. Und nur zwanzig Kinder hatten es gut bei mir.«
    Der Hund sagte: »Worauf willst du hinaus, lieber Freund?«
    Der Bär sagte: »Wäre ich ein Politiker, könnte ich bessere Schulgesetze machen. Gesetze, die die Noten abschaffen. Gesetze, die die Lehrer verpflichten, nie zu schimpfen. Gesetze, die den Kindern ein gutes Leben in der Schule bringen. Dann könnte ich hunderttausend Kindern helfen. Verstehst du das nicht?«
    Der Hund sagte: »Ich fange zu verstehen an!«
    Der Bär sagte: »Wenn wir immer denen die Politik überlassen, die ein Pfui-Geschäft aus ihr machen, brauchen wir uns nicht zu wundern, wenn nie etwas besser wird.«
    Der Hund sagte: »Jetzt verstehe ich!« Er kratzte sich zwischen den Ohren. »Und wie wird man Politiker?«, fragte er.
    Der Bär sagte: »Man geht zu einer Partei und tritt ihr bei. Zuerst kassiert man eine Zeit lang Mitgliedsbeiträge oder macht sich sonst wie nützlich und tut sich irgendwie hervor. Und dann wird man für den Gemeinderat aufgestellt.«
    Der Hund fragte: »Wo wird man aufgestellt? Auf der Straße? Oder in einem Haus? Oder wo?«
    Der Bär sagte: »Das ist nur so ein Fachausdruck. Man kandidiert. Man wird gewählt. Man ist Gemeinderat. Und ist man da erfolgreich, kann man ins Parlament gewählt werden. Und dann muss man da sehen, dass man Minister wird. Und dann kann man die besseren Gesetze machen.«
    Der Hund fragte: »Und wie lange dauert das, bis man Minister wird?«
    Der Bär sagte: »Das ist ganz verschieden. Es gibt Senkrechtstarter und Schleicher. Aber mit etlichen Jährchen ist auf alle Fälle zu rechnen. Und natürlich musst du der richtigen Partei beitreten. Wenn du auf die falsche setzt, kommst du nie ans Regieren.«
    Der Hund sagte: »Ich bin ein alter Hund, lieber Freund. Und zum Senkrechtstarter habe ich noch nie Talent gehabt. So viel Zeit bleibt mir nicht mehr im Leben, dass ich als Schleicher in der Politik was werden könnte. Geht’s nicht irgendwie schneller?«
    Lange Zeit gab der Bär dem Hund keine Antwort. Der Hund dachte schon, der Bär sei eingeschlafen, doch da sagte der Bär: »Ich denke, es geht schneller, wenn wir weiter Frauen bleiben.«
    »Mach dich nicht lächerlich«, rief der Hund. »Ich versteh fast gar nichts von Politik, aber dass die Frauen im Land dabei nicht viel mitzureden haben, das weiß sogar ich, lieber Freund. Nirgendwo haben die Frauen viel mitzureden. Die Männer lassen sie einfach nicht ran. Meine Töchter können dir davon ein bitteres Lied singen.«
    »Einerseits hast du Recht, lieber Freund«, sagte der Bär. »Aber anderseits haben wir im Lande mehr Frauen als Männer, und die Frauen werden schon langsam ungeduldig. Sie wollen sich das alles nicht mehr gefallen lassen. Da sind also Chancen. Und dann ist da noch etwas ...« Der Bär zögerte. »Die Männer wollen die Frauen zwar nicht in der Politik haben, aber ein, zwei Frauen in der Regierung, das gefällt ihnen.«
    »Warum?«, fragte der Hund.
    »Damit sie sagen können: Wir sind ja gar nicht so, wir haben ja nichts gegen Frauen«, sagte der Bär.
    »Also gut«, sagte der Hund. »Bleiben wir Frauen und machen wir politische Karriere. Und wie gehen wir das an?«
    »Das besprechen wir morgen«, sagte der Bär. Er knipste die Nachttischlampe aus und fing zu schnarchen an. Der Hund zog sich die Decke über den Kopf und schlief auch ein und träumte von all den schönen und guten Gesetzen, die
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