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Der Hund kommt - Roman

Der Hund kommt - Roman

Titel: Der Hund kommt - Roman
Autoren: Christine Noestlinger
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Tische und Stühle. Sie schleppten das Rednerpult in die Mitte der Wiese, legten die Kabel aus und machten ein Mikro am Pult fest. Sie taten ein Leintuch über den großen Tisch und nagelten ein Schild an den Tisch.
    Buffet stand darauf.
    »Mir scheint«, murmelte der Hund, »mich hat’s auf die Festwiese verschlagen.
    Viertel vor elf war alles fix und fertig. Das Pult war mit Tannengrün und rosa-orangefarbenem Stoff geputzt, das Buffet bog sich unter lauter Saftflaschen und belegten Broten. Quer über die Wiese waren Schnüre gespannt, an denen flatterten rosa-orangefarbene Wimpel.
    Kleine Informationsstände gab es auch. Dort gab es Flugblätter mit Bärenfotos. Und rosa Kappen mit der Aufschrift »Wählt die Bärin«. Und Buttons mit Bärenköpfen. Und Kugelschreiber mit Bärentatzen.
    Um elf füllte sich die Wiese. Es schien, als wolle der ganze Ort hören, was die Bärin zu sagen hatte. Um Viertel nach elf war die Wiese gerammelt voll. Der Hund wagte, sich unters Volk zu mischen. Eine Damenkapelle spielte mit Pauken und Trompeten flotte Weisen. Um halb zwölf sprang die Sau aufs Rednerpult und rief: »Bürgerinnen und Bürger, wir danken für das zahlreiche Erscheinen und präsentieren nun unsere Spitzenkandidatin, die Bärin.«
    Die Leute klatschten. Der Bär, flankiert von Henne und Schaf, schritt zum Rednerpult. Die Damenkapelle spielte einen Tusch, hundert Luftballons mit Bärengesichtern schwebten dem Himmel zu, rosa und orangefarbene Fähnchen wurden geschwenkt, der Bär rief ins Mikro: »Wir Frauen haben lange genug zugeschaut, wie die Männer alles kaputtmachen, jetzt wollen wir endlich ans Ruder und alles besser machen. Frauen, wählt Frauen!«
    Weiter kam der Bär nicht, denn plötzlich stand die gestreifte Ziege (vom Haus gegenüber) bei ihm, riss das Mikro an sich und brüllte: »Er ist ein Schwindler! Ich habe ihn beobachtet!« Sie griff dem Bären in die Bluse und holte einen Wollbusen heraus. Sie hielt den Wollbusen hoch und schrie: »Er ist ein Mann, ein Mann ist er!«
    Der Hund sah keinen Grund, das üble Spiel länger seinen Lauf nehmen zu lassen. Er wusste ja aus seinem Traum, wie es weitergehen würde. Der Hund sprang mit einem gewaltigen Satz zum Rednerpult, packte den Bären, warf ihn über die Schultern und flitzte zum Bärenauto. Er stopfte den Bären auf den Rücksitz, warf sich hinters Lenkrad und brauste los.
    »Frechheit, Gemeinheit, Sauerei, Betrug, Hinterhalt«, hörte er die Leute brüllen und stieg aufs Gas. Als ob zehn Höllenhunde hinter ihm her wären, fuhr er, und wenn er zu einer Wegkreuzung kam und die Wahl zwischen zwei Straßen hatte, nahm er immer die schmalere. Er wollte weg aus bewohnten Gegenden.
    Der Bär saß hinten im Auto, heulte Rotz und Wasser und schluchzte: »Es wäre aber so schön gewesen, so schön wäre es aber gewesen!«
    Gegen Abend hielt der Hund an und drehte sich zum Bären.
    Der Bär schluchzte: »Wer sind Sie denn überhaupt?«
    »Wer werd ich schon sein, du alter Depp?«, rief der Hund. Er nahm die Brille ab und zog das Kissen aus dem Overall.
    Der Bär starrte ihn an.
    Der Hund sagte: »Weil ich nämlich alles für dich tue!« Da fiel ihm der Bär um den Hals und heulte ihm den Bauch waschelnass.
    »Aber, aber«, sagte der Hund und tätschelte dem Bären den Rücken.
    »Meine Politik wäre wirklich gut gewesen«, schluchzte der Bär.
    »Aber, aber«, sagte der Hund und gab dem Bären ein Taschentuch.
    »Echt wie eine Frau habe ich schon gefühlt«, schluchzte der Bär.
    »Das kannst ja ruhig weiter so halten«, sagte der Hund. »Aber jetzt will ich heim. Bis auf weiteres habe ich genug von der großen Welt.«
    »Dein Haus gehört dem Esel«, schluchzte der Bär.
    »Der Esel ist ewig unzufrieden«, sagte der Hund. »Der mag mein Haus sicher gar nimmer. Wetten, dass ich es um den halben Preis zurückkaufe?«
    »Und wohin gehe ich?«, schluchzte der Bär.
    »Mit mir«, sagte der Hund. Er fuhr weiter. »Du bist mein Freund auf ewig. Weißt du das nicht?«
    »Doch«, sagte der Bär und wischte sich zwei allerletzte Tränen aus den Augen.
    Der Hund brauste der Heimat zu und pfiff seine neun Lieblingslieder.
    Erst als die Kirchturmspitze seines Heimatdorfes hinter den Hügeln auftauchte, hörte er zu pfeifen auf.
    »Als Erstes werde ich den Zaun streichen und neue Gardinen nähen«, sagte er.
    »Und ich steche die Beete um«, sagte der Bär. »Oder haben wir keine Beete?«
    »Wir haben welche«, antwortete der Hund. »Wir haben alles, was wir
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