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Der Hueter und das Kind

Der Hueter und das Kind

Titel: Der Hueter und das Kind
Autoren: Vampira VA
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der bloßen Vorstellung.
    Mühsam, als laste das tatsächliche Gewicht seines Alters auf ihm, erhob er sich.
    Verloren ...
    Nach all den Jahrhunderten der Jagd hatte er den Lilienkelch endgültig verloren, trotzdem er ihm zum Greifen nahe war. Das Gefühl von Bitternis breitete sich in seinem Mund aus wie der Geschmack üblen Blutes.
    Die Art, in der es geschah, war unwürdig. Nachdem sein Trachten und Denken weit über tausend Jahre allein dem Gral gegolten hatte, wollte Landru nicht, daß es so endete - unspektakulär, erbärmlich.
    Sein Blick versank in der Leere des Kelchs.
    Leere?
    Etwas war da noch . kam im selben Moment, da er selbst sich in das Unheiligtum vertiefte.
    Ein Zufall? Vielleicht.
    In jedem Fall erkannte Landru - - daß es noch nicht vorbei war!
    Denn etwas geschah. Etwas, das ein neuer Anfang sein mochte.
    In .
    *
    Italien, Rom
    Der Palazzo Gianicolo hatte sich geleert. Die Gäste hatten das Fest verlassen, weil sie sich plötzlich müde gefühlt hatten, sehr müde. Als hätte ihnen etwas Kraft entzogen. Nicht viel; nur gerade genug, um sich zutiefst erschöpft zu fühlen.
    Gabriel hatte sich beherrscht. Der Tod so vieler Menschen hätte zum einen Aufsehen erregt. Und dazu war es noch zu früh. Zum anderen reichte seine Koordination noch nicht aus, um aus so vielen Quellen zugleich zu schöpfen. Deshalb hatte er sich auf die eine konzentriert, derentwegen er die Stadt am Tiber aufgesucht hatte.
    Stumm standen sie einander gegenüber, der Vampir und das Kind.
    »Nun gut«, sagte Tinto schließlich. Nicht, weil er das mit Blicken geführte Duell verloren hatte, sondern weil er die Situation als lächerlich empfand. Wer war das verdammte Balg, das sich anmaßte, seine Kreise zu stören? Aber er wollte noch wissen, wie der Knabe auf die selbstmörderische Idee verfallen war - bevor er ihn zur Rechenschaft zog .
    »Wer bist du?« fragte der Vampir.
    Gabriel lächelte.
    »Dein Tod?« erwiderte er dann, leichthin und in einem Ton, als spräche er übers Wetter.
    Tinto lachte - oder vielmehr: er wollte es tun. Doch die Bewegung seiner Lippen gefror zur Grimasse; das Lachen selbst mutierte zu einem stacheligen Kloß, der sich schmerzhaft in seiner Kehle verhakte. Etwas in der Stimme des Jungen - etwas, das nicht wirklich zu hören war, aber unleugbar da war - rührte eine Saite tief in Tinto an. Etwas, das er längst vergessen hatte - die Fähigkeit, Angst zu empfinden.
    Oh, er wußte durchaus, wie es war, Furcht zu haben. Oder hatte es zumindest einmal gewußt. Denn in Rom war die Angst lange Zeit ein steter Begleiter der Alten Rasse gewesen. Schließlich hatte die hiesige Sippe in unmittelbarer Nachbarschaft zu den höchsten irdischen Vertretern der verhaßten Macht gelebt. Und die giftige Aura des Petersdoms hatte ihnen lange Zeit das unheilige Leben erschwert.
    Bis sie sich mit jenen Statthaltern des christlichen Glaubens arrangiert hatten. Schließlich waren sie allem Statusgehabe zum Trotz letztlich doch nur Menschen ... Die stille Übereinkunft, einander zu dulden, hatte bislang noch jeden Wechsel an der Spitze des Vatikans überdauert. Wenn der weiße Rauch neben dem Petersdom aus dem unscheinbaren Kamin aufgestiegen war und von der Wahl eines neuen Papstes gekündet hatte, hatte meist ein kurzer Besuch genügt, um das »Bündnis« zu festigen .
    »Was hat das zu bedeuten?« fragte der Vampir endlich, nachdem er den Kloß im Hals mühsam hinabgewürgt hatte.
    »Wie ich es sage«, antwortete der Junge mit stillem Lächeln. »Ich bin gekommen, um dich zu töten. Doch fürchte dich nicht - du stirbst nicht umsonst.«
    »Das reicht!« Tinto fuhr auf, ehe das Etwas aus ihm zurückkehren und ihn in seinem Handeln beeinträchtigen konnte. Zornfunkelnden Blickes und schnaubend wollte er sich auf das vermessene Bürsch-lein stürzen.
    Bevor seine Hände ihn packen konnten, hob der Junge die Hand. Und was nicht sein konnte, geschah.
    Die Bewegung gebot dem Vampir Einhalt, ließ ihn innehalten, als wäre er gegen eine unsichtbare Wand angerannt.
    »Was ...?« entfuhr es ihm.
    Der Knabe lächelte ungerührt. »Bitte.« Er wies die marmorne Treppe hinauf und ging.
    Tinto folgte ihm nach wie ein Schatten.
    Das Kind lag auf dem breiten Bett, von dem die Tote längst fortgeschafft worden war.
    Neben ihm ruhte Tinto. Mit geschlossenen Augen, schlafend und träumend. Doch er war nicht allein in seinen Träumen. Ein widder-köpfiges Wesen war bei ihm.
    Genußvoll beobachtete Gabriel, wie die Züge des Vampirs
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