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Der Hof (German Edition)

Der Hof (German Edition)

Titel: Der Hof (German Edition)
Autoren: Simon Beckett
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kann.
    «Woher wussten Sie, dass ich Engländer bin?»
    Sie antwortet ohne Zögern. «Ich habe in Ihren Reisepass geguckt.»
    Sofort ist mein Mund staubtrocken. «Sie haben meinen Rucksack durchsucht?»
    «Ich wollte nur herausfinden, wer Sie sind.»
    Ihr Gesichtsausdruck ist ernst, aber nicht entschuldigend. Ich versuche, nicht zu dem Rucksack zu schauen, aber mein Herz hämmert laut in der Brust.
    «Ich muss jetzt gehen», erklärt sie. «Versuchen Sie, sich auszuruhen. Ich bringe Ihnen bald etwas zu essen.»
    Ich nicke. Jetzt will ich eigentlich nur noch alleine sein. Ich warte, bis sie verschwunden ist und die Falltür sich hinter ihr senkt. Dann ziehe ich meinen Rucksack zu mir her. Das Schaukelpferd schaukelt leicht vor und zurück. Ich öffne den Rucksack und stecke die Hand hinein. Zuerst nichts außer Klamotten. Dann, als ich schon überzeugt bin, dass das Päckchen verschwunden ist, spüre ich unter den Fingerspitzen das leise knisternde Plastik.
    Ich weiß einen Moment lang nicht, ob ich erleichtert oder entsetzt sein soll.
    Das Paket scheint unberührt zu sein. Es liegt schwer in meiner Hand. Ich hätte es loswerden sollen, als ich noch die Gelegenheit dazu hatte. Dafür ist es jetzt zu spät. Ich wickle es in ein T-Shirt, schiebe es bis an den Boden des Rucksacks und bedecke es mit meinen restlichen Klamotten. Dann überprüfe ich meinen Reisepass und mein Geld. Beides ist noch da, aber als ich die Hand zurückziehe, berühren meine Finger ein glänzendes Pappquadrat.
    Das Foto. Ich will es mir nicht ansehen, aber ich kann nicht anders und ziehe es heraus. Ein Schmerz hat sich unter meinem Brustbein eingenistet und erwacht, als ich das lächelnde Gesicht des Mädchens im Sonnenlicht sehe. Impulsiv packe ich die Ecken des Fotos und will es in zwei Hälften zerreißen. Aber ich kann nicht. Stattdessen streiche ich die Knicke glatt und stecke es zurück in die Tasche.
    Plötzlich bin ich erschöpft. Und noch verwirrter als ohnehin schon. Die Frau hat mir eigentlich nichts verraten. Besonders verwirrt mich, dass ich in ihrer Scheune liege und nicht in einem Krankenhausbett. Und verspätet fällt mir noch etwas auf. Nachdem die Frau die Falltür hinter sich zugezogen hat, habe ich ein anderes Geräusch wahrgenommen. Das dumpfe Schaben von Metall auf Holz.
    Wie wenn jemand einen Riegel vorschiebt.
    Mein bandagierter Fuß pocht, als ich die Beine von der Matratze schwinge. Ich ignoriere den Schmerz und stehe auf, nur um fast wieder hinzufallen. Ich lehne mich gegen die Steinwand und warte, bis der Dachboden sich nicht mehr um mich dreht. Dann versuche ich, einen ersten Schritt zu machen. Mein Fuß protestiert unter meinem Gewicht, und ich hüpfe einbeinig vorwärts, stütze mich am Stuhl ab und bringe dabei in dessen Innern irgendwas zum Scheppern. Jetzt erst bemerke ich, dass es ein Toilettenstuhl ist. Und zum ersten Mal seit dem Aufwachen bemerke ich den heftigen Druck auf meiner Blase.
    Aber das wird warten müssen. Es ist offensichtlich, dass ich nicht weit kommen werde. Aber ich kann nicht zurück ins Bett, ehe ich nicht Gewissheit habe. Ich stütze mich auf den staubigen Möbeln ab und bewege mich taumelnd bis zur Luke. Ein Eisenring ist in die Bodenklappe eingelassen. Auf einen alten Sekretär gestützt, halte ich mich fest und ziehe an dem Eisenring. Die Falltür gibt leicht nach, dann steckt sie fest.
    Sie ist verriegelt.
    Himmel.
Ich muss Panik niederkämpfen. Ich kann mir keinen Grund denken, warum ich hier oben eingesperrt bin. Zumindest keinen guten. Aber es steht außer Frage, dass ich zu schwach bin, um auch nur zu versuchen, hier rauszukommen. Selbst wenn ich etwas finde, mit dem der Riegel sich aufhebeln lässt, hat es mich schon das letzte bisschen Kraft gekostet, einmal quer über den Dachboden zu humpeln. Ich benutze den Toilettenstuhl und bin froh, mich erleichtern zu können. Dann sinke ich wieder auf die Matratze. Ich bin mit einem schmierigen Schweißfilm überzogen, und mein Kopf und der Fuß pochen gleichermaßen.
    Ich nehme zwei von den Schmerztabletten und lege mich wieder hin. Doch ich bin zu aufgedreht, um schlafen zu können. Der Schmerz im Fuß lässt gerade nach, als ich von der Falltür her ein Geräusch höre. Dann schwingt sie mit einem Quietschen auf.
    Dieses Mal kommt jemand anderes nach oben, ein Mädchen. Ich habe sie noch nie gesehen, aber als sie die Falltür zuklappt, tanzt das Licht auf ihrem Gesicht und weckt damit eine misstönende Erinnerung. Sie trägt ein Tablett
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