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Der Höllenbote (German Edition)

Der Höllenbote (German Edition)

Titel: Der Höllenbote (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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...«
    Das war alles, was Carlton hören wollte, und dabei beließ er es auch. Er beließ es bei diesem schwachen Hoffnungsschimmer und wollte nichts Gegenteiliges glauben. Und dann schob er alles zur Seite, das Beste, was ein Mensch in seiner entsetzlichen Situation tun konnte.
    Bis heute.
    Bis er in diesen alten dunklen Keller gekommen war, um einen Haufen 20 Jahre alter Kartons wegzuräumen, die ein Brandrisiko darstellten.
    Oh, Belinda. Bitte sei am Leben. Bitte sei gesund. Bitte sei bei Leuten, die sich um dich kümmern ...
    Er hatte schon öfter von so etwas gelesen oder es im Fernsehen gesehen: Ansonsten freundliche und anständige Paare, die todunglücklich waren, weil sie keine eigenen Kinder bekommen konnten, entführten die Kinder von anderen. Und das in dieser Situation? Nachdem sie gerade den Tod ihrer Mutter mit angesehen hatte? Im Schock aus dem Wrack des Autos gekrochen war? Gut möglich, dass Belinda das Gedächtnis verloren hatte und ihr die neuen Eltern einredeten, dass nicht nur ihre Mutter bei dem Unfall ums Leben gekommen war, sondern auch ihr Vater. Vermutlich konnte sie sich an gar nichts mehr aus ihrer Vergangenheit erinnern, einschließlich Carlton. Verzögerte Stressreaktion. Amnesie. Etwas in der Art. Carlton konnte nur beten, dass es so gelaufen war.
    Belinda.
    Eine letzte Kiste, voll mit klappernden Ersatzteilen. Keuchend zerrte Carlton den staubigen, dreckigen Karton aus dem Verschlag. Das war’s. Das ist der letzte. Mit dem Ärmel wischte er sich den Schweiß von der Stirn, dann leuchtete er noch einmal in den Kriechgang, ob er auch nichts übersehen hatte.
    Etwas glänzte.
    Was mag das sein ...
    Kartons befanden sich dort keine mehr. Aber er war ganz sicher, dass dort etwas auf dem Boden schimmerte, wenn er mit der Taschenlampe hineinleuchtete.
    Ach, was soll’s. Ein letzter Kontrollgang bringt mich nicht um. Und dreckiger kann ich sowieso nicht mehr werden.
    Also kroch Carlton wieder hinein. Die Rückwand des engen Raumes blitzte im Licht der Taschenlampe auf, als er näher kam. Aber auch seine Augen leuchteten. Der glänzende Gegenstand war ein Armband ...
    Ein Armband, das ihm sehr bekannt vorkam.
    Carlton hob es auf.
    Und starrte es an.
    Das ist unmöglich.
    Es war ein silbernes Kettenarmband mit glänzenden kleinen Delfinen. Es sah genauso aus wie das Armband, das er Belinda vor sieben Jahren zu ihrem zwölften Geburtstag geschenkt hatte.
    Unmöglich.
    Wahrscheinlich ging nur seine Fantasie mit ihm durch. Ja, so musste es sein. Es war nur irgendein altes Armband, und weil er gerade an Belinda gedacht hatte, redete sein Unterbewusstsein ihm ein, dass es genauso aussah wie das von Belinda.
    So musste es sein.
    Seine Hände zitterten, als er einen der silbernen Delfine umdrehte und die Inschrift las:
    FÜR BELINDA. VON DAD.
    Und dann hörte er ...
    Carltons Kopf ruckte hoch.
    Er blickte genau auf das Ende des Kriechgangs, anscheinend nichts weiter als eine ganz normale Rigipswand.
    Aber dieses Geräusch ...
    Was zum ...?
    ... ein Geräusch, das von irgendwo hinter der Wand kam.
    Ein Kratzen.
    Es klang, als hockte dort jemand auf der anderen Seite und kratzte mit den Fingernägeln an der Rigipsplatte. Carlton leuchtete mit der Taschenlampe in eine der oberen Ecken und sah, dass die quadratische Platte offenbar nur lose im Betonrahmen verkeilt war. Er drückte mit der flachen Hand dagegen, drückte noch ein bisschen stärker, und die Platte gab leicht nach.
    Seine Nackenhaare richteten sich auf.
    Das Kratzen auf der anderen Seite wurde hektischer.
    Das ist ... wahrscheinlich ... eine Ratte oder so was ...
    Carlton versetzte der Rigipsplatte einen heftigen Stoß.
    Fump!
    Die Ecke rutschte ein paar Zentimeter weit aus dem Rahmen, und jetzt hörte das Kratzen auf und wurde durch ein schnelles Klopfen ersetzt.
    Keine Ratte. Das konnte keine Ratte sein.
    Aber es konnte ein Mensch sein. Ein Mensch, der mit den Knöcheln gegen die andere Seite der Rigipswand klopfte. Carlton konnte nicht leugnen, was er da wahrnahm:
    Da muss jemand hinter der Platte sein!
    »Wer ist da?«, rief er. »Ist da jemand?«
    Schließlich holte er aus und rammte seine Faust mit voller Wucht gegen die Platte. Sie wurde aus dem Rah-men gerissen und von der Dunkelheit verschluckt. Faulige Luft wehte aus der Öffnung.
    »Ist da jemand? Ich WEISS, dass da jemand ist! Ich höre Sie doch!«
    Er hob die Taschenlampe auf, um in das Loch hineinzuleuchten, doch ...
    Dunkelheit brach wie eine Lawine über ihn herein.
    Carlton
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