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Der Höllenbote (German Edition)

Der Höllenbote (German Edition)

Titel: Der Höllenbote (German Edition)
Autoren: Edward Lee
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PROLOG
    In dem Paket wartete der Tod. Natürlich konnte Dodd das unmöglich wissen, schließlich war er kein Hellseher, aber das spielte ohnehin keine Rolle. Er hätte es niemals ahnen können – wie auch? Es handelte sich um eine simple Tatsache, die er noch früh genug erkennen würde: Das seltsame Päckchen, das er gerade vom Laufband genommen hatte, enthielt seinen Tod.
    Dodd sortierte Pakete. Das war sein Job. Angestellter in der Paketbearbeitung. Nicht die schlechteste Beschäftigung der Welt. Eine Menge Vergünstigungen, gute Bezahlung und Rente, bezahlter Urlaub, die Möglichkeit, jederzeit Überstunden zu machen, wenn er mehr Geld brauchte, und natürlich die günstige Lage seines Arbeitsplatzes. Als er das besagte Paket vom Band nahm, dachte er nicht großartig darüber nach. Seine Aufgaben waren ihm mittlerweile derart in Fleisch und Blut übergegangen, dass er das Denken weitgehend einstellte.
    Das Paketesortieren erledigte er wie ein Automat. Tagein, tagaus. Dieselbe Umgebung, derselbe Lärm, dieselben Aufgaben. Er stand neben dem Band und dachte: Das alles muss ich noch neun Jahre lang machen, bevor ich in Rente gehen kann. Diese Aussicht empfand er oft als frustrierend, obwohl seine Arbeit in der Regel ganz in Ordnung ging. Er wollte gar nicht darüber nachdenken, wie viele Pakete er im Laufe seiner beruflichen Laufbahn schon bearbeitet hatte; ob sie nebeneinandergelegt wohl um die Erde reichten? Oder bis zum Mond? Aber solche Rechnungen brachten einen am Verladeband nicht weiter. Besser, er legte jedes Paket einfach nur auf den richtigen Rollwagen und wandte sich dem nächsten zu.
    Tagein, tagaus. Hin und wieder jedoch schweiften seine Gedanken ab, meistens zu etwas, das mit Sex zu tun hatte. Dodd war mit einer liebevollen, aber recht langweiligen Frau verheiratet. Weder attraktiv, noch unattraktiv, nur ... langweilig, so langweilig wie Dodds Leben in der Sortierstation. Wenn er seine Gedanken einmal abschweifen ließ, dachte er nie an sie. Vor seinem geistigen Auge zogen flüchtige Standbilder von Frauen vorbei, die er draußen auf der Straße gesehen hatte; so dicht an einem Strandbad gab es einiges, womit sich seine Gedanken beschäftigen konnten, wenn die Arbeit zu langweilig oder nervig wurde.
    Gestern zum Beispiel hatte er an einem Drugstore angehalten, um Zigaretten zu kaufen, und dann war da diese wunderschöne Frau aufgetaucht – vielleicht 30 Jahre alt –, um ein Strandtuch und eine Flasche Sonnenöl zu bezahlen. Dodd hatte einen Tunnelblick bekommen, als er hinter ihr in der Schlange stand. Ihr Haar war glänzend, schokoladenbraun, schulterlang und duftend gewesen. Dazu weiße Shorts und ein umwerfendes rosafarbenes Bikinioberteil. Das Oberteil saß etwas zu eng; es quetschte ihre Oberweite auf rosiges Handtaschenformat zusammen. Ihre Haut jedoch hatte alles andere als gebräunt gewirkt; vermutlich arbeitete sie genau wie Dodd in einem Job, bei dem sie nicht viel in die Sonne kam. Aber ihre Schönheit hinterließ einen konzentrierten, sehr kompakten Eindruck. Sie dort stehen zu sehen, so sexy und dabei so ungezwungen, hatte Dodd wie ein Schlag getroffen – wie ein köstlicher, sinnlicher Schlag aufs Auge.
    Ob sie spürte, wie er sie anstarrte?
    Sie hatte sich umgedreht und ihn angelächelt.
    Ein weiterer Schlag.
    »Hi«, sagte sie.
    »Hi«, antwortete Dodd und wäre fast ins Taumeln geraten. »Auf dem Weg zum Strand?«
    »Ja.« Verlegen hielt sie das Strandtuch hoch. »Ist das zu glauben? Jetzt wohne ich seit fast einem Jahr hier und besitze noch nicht mal ein Strandtuch und bin noch kein einziges Mal am Meer gewesen. Aber heute werde ich das nachholen. Ich bin blass wie ein Gespenst.«
    »Ich komm auch nicht viel raus«, erwiderte Dodd.
    »Als Postbote?«, wunderte sie sich mit Blick auf seine Uniform. »Trotz Briefzustellung bei Wind und Wetter?«
    »Ich bin kein Zusteller. Ich arbeite in der Filiale.« Ich bin Paketsortierer ... und du bist ein Päckchen, das ich gern mal auspacken würde ...
    »Oh, das tut mir leid.«
    »So schlimm ist es nicht. Ich hab’s dank Klimaanlage schön kühl, während alle anderen in der Hitze schmoren.«
    »Gutes, altes Florida.« Sie spielte an der Flasche mit dem Sonnenöl herum. »Aber das gehört zu den Sachen, die mir nichts ausmachen. Ich liebe die Hitze. Ich liebe es, wenn es heiß ist.«
    Wieder lächelte sie ihn an, sehr dezent.
    »Ich auch«, antwortete Dodd.
    Der Tunnelblick verengte sich. Sie erinnerte an eine Lichterscheinung mit ihren
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