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Der Hirte (German Edition)

Der Hirte (German Edition)

Titel: Der Hirte (German Edition)
Autoren: Richard Dübell
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drängelte sich durch sie hindurch. Dicht vor Rainald blieb er stehen.
„Herr von Mandach“, sagte Dielsdorfer.
„Herr Dielsdorfer.“
Die beiden Männer nickten sich zu.
„Warum?“, fragte Rainald.
Dielsdorfer grinste, so wie er auf der Mauerkrone gegrinst hatte, bevor er den Befehl gegeben hatte, auf die Wölfe zu schießen und nicht auf die Flüchtlinge. Ein Mitglied der Stadtwache trat an ihn heran.
„Bürgermeister Dielsdorfer?“
„Was gibt’s?“
Der Stadtknecht flüsterte Dielsdorfer etwas ins Ohr. Dielsdorfer zuckte mit den Schultern.
„Drei oder vier Wölfe sind entwischt“, sagte er zu Rainald. „Ich denke, von ihnen geht keine Gefahr aus.“
„Warum?“, wiederholte Rainald. Blanka wimmerte erneut. Rainald ließ zuerst sie, dann Johannes zu Boden gleiten. Blanka drängte sich an ihn, Johannes hielt sich an seiner Hand fest und ächzte, als er versuchte, auf dem verletzten Fuß aufzutreten.
Dielsdorfer bückte sich und sah beiden Kindern in die Gesichter.
„Ich kenne euren Papa“, sagte er.
„Woher?“, fragte Johannes, als Blanka keinen Ton von sich gab.
Dielsdorfer und Rainald wechselten einen Blick.
„Ich habe ihn und eure Mutter auf eurer Burg willkommen geheißen – vor langer Zeit“, sagte der Bürgermeister schließlich. „Als die Winter wärmer und die Sommer sonniger waren und ich nur ein Ratsherr, der glaubte, dass die Verantwortung des Bürgermeisters doch ganz leicht zu tragen wäre.“ Dielsdorfer zwinkerte Rainald zu.
„Mama ist bei den Engeln“, sagte Blanka.
„Ich weiß“, sagte Dielsdorfer. Er lächelte sanft. Dann richtete er sich auf.
„Warum, Rainald von Mandach?“, fragte er. Plötzlich lachte er. „Heute ist der Tag der Geburt Jesu Christi. Er ist in die Welt gekommen, hat alle unsere Sünden auf sich genommen, und im Sterben hat er uns allen vergeben.“ Er streckte die Hand aus. Rainald starrte sie an.
„Wir haben vom Tod Eurer Frau gehört, aber wir haben nichts unternommen, um Euch zu helfen oder wenigstens unser Mitgefühl auszudrücken. Wir haben uns schäbig benommen. Wir waren schlechte Verbündete. Bitte vergebt uns.“
Rainald starrte die Hand des Bürgermeisters weiterhin an.
„Ich …“, sagte er schließlich und konnte nicht weitersprechen. Er zog sich den Handschuh von den Fingern und ließ ihn fallen. Dann fasste er nach der Hand des Bürgermeisters, als wäre sie aus Glas. Dielsdorfer erwiderte den Händedruck.
„Willkommen, Herr von Mandach“, sagte er. „Gesegnetes Christfest.“

***

„Könnt Ihr mir ein paar Männer mitgeben?“, fragte Rainald.
„Wozu?“
„In meiner Begleitung befand sich eine junge Klosterschwester. Sie hat uns gerettet. Die Wölfe haben sie gekriegt. Ich möchte Ihren Leichnam nicht draußen liegen lassen.“ Es kostete Kraft, äußerlich gelassen zu bleiben.
„Wir haben niemanden gesehen“, sagte Dielsdorfer. „Nur Euch und wie Ihr mit den Kindern auf die Stadt zugelaufen kamt.“
„Schwester Venia hat versucht, die Aufmerksamkeit der Wölfe auf sich zu ziehen. Sie hat uns den Vorsprung verschafft, der uns gerettet hat.“
Dielsdorfer sah ihn so lange an, dass Rainald glaubte, der Mann habe ihn nicht verstanden.
„Schwester Venia …“, begann er erneut.
Dielsdorfer nahm seinen Arm. „Kinder, euer Vater und ich müssen etwas bereden“, sagte er über die Schultern. „Einer der Stadtknechte wird euch zu meinem Haus bringen.“ Er zwinkerte erneut. „Ich habe fünf Kinder, die schon darauf warten, dass wir endlich mit dem Essen anfangen. Setzt euch dazu. Euer Vater und ich kommen gleich nach.“
„Aber …“, sagte Rainald.
„Ich muss Euch etwas zeigen“, sagte Dielsdorfer. Rainald stolperte neben ihm her, dann blieb er plötzlich stehen. Er packte Dielsdorfers Hand.
„Es tut mir leid, was ich Euch angetan habe“, würgte er hervor. „Ich war nicht ich selbst.“
„Na ja, Ihr habt mich eine Stange Geld gekostet“, sagte Dielsdorfer und lächelte. „Und Ihr habt mir gezeigt, was aus einem Mann werden kann, der glaubt, keine Freunde mehr zu haben und dessen Freunde vergessen haben, sich ihm bemerkbar zu machen. Das ist nicht mit Geld aufzuwiegen.“
„Bitte lasst mich Schwester Venia holen“, sagte Rainald. Seine Stimme schwankte. „Ich kann sie nicht draußen liegen lassen. Gott der Herr hat sie mir geschickt.“
„Kommt mit.“ Dielsdorfer setzte sich wieder Bewegung, und Rainald folgte ihm, bis sie vor einem Gebäudekomplex wie einer Burg inmitten der Stadt standen.
„Das ist das
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