Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode

Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode

Titel: Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
dritte. In der vierten fand ich einen Toten, mumifiziert und ausgetrocknet, so daß er eher wie ein verschrumpelter Baumstumpf aussah denn wie ein menschlicher Leichnam, dann kam wieder eine leere Zelle, in der sich nur Spinnen und Wanzen tummelten – und dann fand ich Shadow.
    Irgendwie spürte ich es, noch ehe ich den schweren Riegel zurückschob und die Tür öffnete. Etwas war an dieser Tür anders; etwas wie eine spürbare Ausstrahlung von Leid, in die ich hineintrat und die meine Bewegungen lähmte. Meine Hände begannen zu zittern. Ich hatte Mühe, den Riegel überhaupt zu bewegen. Mein Herz begann zu rasen.
    Und dann sah ich sie.
    Im ersten Moment weigerte sich mein Verstand einfach, zu begreifen. Mein Gehirn schien sich zu einem eisigen Klumpen zusammenzuziehen, als ich auf das blutige Bündel hinunterstarrte, das einmal eine El-oh-hym gewesen war.
    Sie lag vor mir, mit leicht gespreizten Armen und Beinen, die von eisernen Ringen am Boden gehalten wurden, und in der Wand, die der Tür gegenüberlag, brannte eine Fackel, als hätte Necron dafür sorgen wollen, daß jeder, der diese Zelle betrat, das entsetzliche Bild auch in allen Einzelheiten wahrnahm. Ihr Gewand hing in Fetzen, so daß ich die blutigen Spuren erkennen konnte, die Necrons Folterwerkzeuge in ihrem alabasterfarbenen Körper hinterlassen hatten.
    Aber all das sah ich zwar, registrierte es aber eigentlich nur am Rand. Mein Blick hing wie gebannt an der Wunde zwischen Shadows Schulterblättern, an der Stelle, an der...
    Nein, dachte ich. Nicht das. Alles, nur das nicht...
    Shadow bewegte sich. Mühsam hob sie den Kopf, blickte mich aus trübe gewordenen Augen an und stieß einen leisen, gepeinigten Laut aus. Ihre Hände ballten sich zu Fäusten, zerrten kraftlos an den rostigen Eisenringen und erschlafften wieder.
    Und endlich erwachte ich aus meiner Erstarrung.
    Mit einem keuchenden Laut war ich bei ihr, fiel neben ihr auf die Knie und zerrte und riß einen Moment lang mit verzweifelter Kraft an den eisernen Fesseln, ohne indes mehr damit zu erreichen, als mir die Fingernägel abzubrechen. Shadow begann zu stöhnen. Meine vergeblichen Befreiungsversuche mußten ihr Schmerzen bereiten. Ich fuhr hoch, sah mich mit wachsender Verzweiflung nach irgend etwas um, das ich als Hebel benutzen konnte, um die Fesseln aufzubrechen, und kam endlich auf die Idee, die eisernen Ringe genauer in Augenschein zu nehmen.
    Kaum drei Sekunden später war Shadow frei, denn es gab eine simple Mechanik, die ein Kind hätte bedienen können, um die Ringe auseinanderzuklappen. Weitere zwei Sekunden später hatte ich Shadow vorsichtig herumgedreht und in meinem Schoß gebettet, wobei ich sorgsam darauf achtete, die Wunde in ihrem Rücken nicht zu berühren. Trotzdem spürte ich, wie sie wieder aufbrach und ihr Blut warm und in raschen Stößen über meine Beine lief. Das Blut eines Engels, dachte ich. Es war ein absurder, völlig aberwitziger Gedanke, aber ich wurde ihn nicht los. Engelsblut. Shadows Leben, das unaufhaltsam aus ihrem Körper herausströmte. Sie starb.
    Und als hätte sie meine Gedanken gelesen, öffnete sie in diesem Moment die Augen und sah mich an. Ihr Blick war jetzt klar, aber in ihren Augen glomm ein Ausdruck so unermeßlich tiefen Schmerzes, daß ich schauderte.
    »Mein Liebling, was... was hat er dir angetan?« flüsterte ich. Ich beugte mich über sie, preßte sie behutsam an mich und streichelte das Silbergespinst ihres Haares, Worte murmelnd, die mich selbst überraschten, und erfüllt von einer Mischung aus Entsetzen und einem düsteren, ganz langsam aufkeimenden Zorn. In mir war nichts als Schmerz, Schmerz und ein Gefühl der Hilflosigkeit, das fast noch schlimmer war. Sie starb. Shadow, die ihr eigenes Volk verraten hatte, um mir zu helfen, die sich von ihrem Herrn, ihrem Leben, ihrer Vergangenheit losgesagt hatte, um mir beizustehen, die in der vergangenen Nacht zu mir gekommen war, um mich zu warnen, sie starb in meinen Armen. Ich konnte es fühlen. Es war absurd und durch nichts zu begründen, aber ich fühlte, wie das Leben aus ihrem Körper wich, mit jedem Atemzug ein bißchen mehr, und wie etwas Dunkles nach ihrer Seele griff.
    Und plötzlich begriff ich, daß ich sie liebte.
    Ich hatte es vom ersten Moment an getan, und sie hatte es gewußt, sie und Shannon und vermutlich auch Sitting Bull und alle anderen – nur ich Idiot nicht. Ich hatte mich an meine Liebe zu Priscylla geklammert und mich einfach geweigert, zu begreifen, daß in
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher