Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode

Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode

Titel: Der Hexer - NR30 - Buch der tausend Tode
Autoren: Verschiedene
Vom Netzwerk:
meinem Herzen durchaus Platz für zwei Frauen sein konnte.
    Es hatte bis zu diesem Moment gedauert, bis ich die Wahrheit begriff.
    Jetzt, wo es zu spät war. Wo sie in meinen Armen lag und starb, zu Tode gefoltert von einem bösen alten Mann, aus keinem anderen Grund als dem, mich zu bestrafen.
    »Robert, du... du mußt...«, stammelte Shadow.
    »Nicht reden Liebling«, flüsterte ich. »Du darfst dich nicht anstrengen. Ich bringe dich hier heraus.«
    Shadow schüttelte den Kopf. Die Bewegung war so schwach, daß ich sie fast nur ahnte. »Keine... Zeit...«, flüsterte sie. Sie versuchte sich aufzurichten, sank mit einem keuchenden Laut zurück und begann am ganzen Leib zu zittern. Die Wunde in ihrem Rücken blutete immer stärker.
    »Das... Buch«, flüsterte sie. »Robert, du... du mußt...« Ihre Stimme erstarb, sank zu einem ganz leisen, kaum mehr wahrnehmbaren Flüstern herab, so daß ich mich vorbeugen und das Ohr an ihre Lippen halten mußte, um sie überhaupt noch zu verstehen. Trotzdem waren es nur noch Wortfetzen, die ich hörte.
    »Das Buch«, hauchte Shadow. »Geh und... Priscylla... ihr... Geist... in Gefahr... wir... das Tier... die... die Mutterzelle...«
    Plötzlich brach sie völlig ab, und für einen kurzen, entsetzlichen Moment dachte ich bereits, sie wäre tot. Aber dann bäumte sie sich noch einmal auf, mit solcher Macht, daß ich sie mit aller Kraft an den Schultern packen und halten mußte. Ihre Fingernägel gruben sich durch den Stoff meiner Jacke und rissen tiefe blutige Kratzer in meine Haut. Und mit einem Male war ihr Blick wieder ganz klar, und auch ihre Stimme wieder laut und deutlich.
    »Geh zu Necron«, sagte sie. »Vernichte das Buch, ehe Priscylla seine ganze Kraft entfesselt, Robert. Zerstöre es. Sie sind in der Kammer unter der Turmspitze. Töte sie beide, wenn es sein muß, aber vernichte das Buch. Verbrenne es.«
    Der kurze Ausbruch hatte ihre letzte Kraft verbraucht. Sie begann zu zittern, sank in meinen Armen zur Seite und schloß mit einem sonderbar müde klingenden Laut die Augen.
    Ich schrie auf. »Nein!« brüllte ich. »Nicht, Shadow. Du darfst nicht sterben!«
    Und Shadow öffnete noch einmal die Augen. Ihr Blick war jetzt frei von jedem Schmerz, aber es war ein Schatten darin, der mich noch mehr erschreckte als die Qual, die ich zuvor darin gelesen hatte.
    Ihre Lippen verzogen sich zu einem letzten, fast spöttischen Lächeln.
    »Du Narr«, sagte sie leise. »Weißt du denn nicht, daß Engel niemals sterben?«
    Und dann starb sie.
    Ihre Brust hörte auf, sich in unregelmäßigen Stößen zu heben. Ihr Atem stockte. Aus der Wunde zwischen ihren Schultern floß kein Blut mehr.
    Shadow, die El-o-hym, der Engel, der sich in einen sterblichen Menschen verliebt hatte, war tot.
    Ich blieb sehr lange so sitzen, starr, reglos, ohne zu denken, ja, fast ohne zu atmen, ihren leblosen Körper auf dem Schoß, ruhig, völlig ohne irgendeine Empfindung. Ich spürte keine Trauer. Keinen Schmerz. Nicht einmal Haß auf Necron.
    Dann, irgendwann, nach Ewigkeiten, wie es schien, legte ich Shadow behutsam zu Boden, schloß ihre Augen und faltete ihre Hände über der Brust. Dann stand ich auf, verließ die Zelle und wandte mich nach rechts.
    Nach oben, der eigentlichen Burg zu.
    Dem Turm.
    Necron.

    * * *

    Van Velden und Bruder André kamen eine Stunde später. Der Sturm hatte sich gelegt, und wie immer nach einem besonders heftigen Ausbruch der Naturgewalten war eine fast unheimliche Ruhe über dem Berg eingekehrt. Aber die Luft über dem zusammengebrochenen Kastell war noch immer voller Staub und Sand, so daß der Blick nicht sehr weit reichte und alles sonderbar schemenhaft und unwirklich aussah.
    Balestrano war beinahe froh, daß es so war.
    Er war nicht sicher, ob er den Anblick in allen gräßlichen Einzelheiten ertragen hätte, denn die zerborstene Alptraumlandschaft, die sich unter ihm ausbreitete, war nicht nur der Rest einer total zerstörten Festung, sondern auch ein Grab. Das Grab von vierhundert tapferen, aufrechten Männern, die ihr Leben in seine Hände gelegt hatten.
    Sie hatten ihm vertraut. Und er hatte sie getötet.
    Botho von Schmid hätte ihm widersprochen, hätte er den Gedanken laut ausgesprochen und de la Croix die Schuld zugeschoben, und Hayworthy hätte wahrscheinlich auf seine gewohnt sachliche Art argumentiert, daß weder ihn noch den Storm-Master irgendeine Schuld traf, sondern einzig Necron, dessen düstere Magie den Höllensturm auf die Angreifer umgelenkt
Vom Netzwerk:

Weitere Kostenlose Bücher